Washington. . Das Terrornetzwerk El Kaida findet keine Antwort auf den plötzlichen Ruf nach Demokratie aus der arabischen Welt. Die Umstürze in Ägypten und Tunesien stellen eines ihrer Kernargumente in Frage: Politischer Wandel durch terroristische Gewalt.
Die Verblüffung über die unerwarteten Volksaufstände in der arabischen Welt hat El Kaida fast verstummen lassen. Das Terrornetzwerk findet keine Antwort auf den plötzlichen Ruf nach Demokratie.
Die Extremisten sind kleinlaut: Die Umstürze in Ägypten und Tunesien stellen eines ihrer Kernargumente in Frage - nämlich, dass sich politischer Wandel in der Region nur durch terroristische Gewalt bewirken lasse. Inzwischen ist im extremistischen Dschihad-Milieu eine Debatte entbrannt, wie das Abdrängen in die Bedeutungslosigkeit verhindert werden kann.
„El Kaida steht vor wichtiger Weggabelung“
Diese Debatte wird weltweit auf speziellen Internet-Plattformen geführt, die einen Einblick in die Gedankenwelt der Extremisten erlauben. Manche sehen ihre Bewegung durch die Ankunft der Demokratie in der arabischen Welt ernsthaft gefährdet. Andere wittern neue Chancen auf dem Weg zu einem Gottesstaat.
„Die Demokratie stellt El Kaida und ihre Vorhaben vor eine wichtige Weggabelung“, heißt es in einem Kommentar auf der Webseite „Shumukh a-Islam“, die als Plattform der El Kaida gilt. Der Autor warnt: Die Muslime dürften das Ziel eines Staat auf Grundlage der Scharia, des islamischen Rechts, nicht aufgeben. Sie würden in der Demokratie nicht das finden, was sie suchen.
Verunsicherung und Suche nach neuer Strategie
Die Debattenbeiträge lassen auf Verunsicherung und die Suche nach einer neuen Strategie schließen. Der El Kaida, die sich ansonsten professionell aller Möglichkeiten der Medienkommunikation bedient, hat es fast die Sprache verschlagen. „Ich habe sie noch nie so ruhig erlebt“, sagte Jarrett Brachman, ein Experte für El Kaida und deren Medienstrategie, am Mittwoch vor einem Ausschuss des US-Kongresses. „Momentan verfolgt El Kaida die Strategie, abzuwarten und sich wegzuducken“, sagte er weiter. „So nachdenklich hat man die El-Kaida-Führung noch nicht erlebt.“
In Kommentaren auf „Shumukh al-Islam“ lassen Extremisten ihrer Wut auf die Entwicklung freien Lauf. „Welcher Wandel? Die Leute haben nichts gestürzt“, schreibt ein Nutzer mit Namen Abu Musab al-Dhahak. „Sie haben vielleicht Symbole und Gesichter gestürzt.“ Der Nutzer Abu Talha al-Naimi hebt neue Chancen hervor: „El Kaida wird sich nur leichter ausbreiten können, weil es wegen der Schwächung des Sicherheitsapparats für uns einfacher geworden ist, unsere Botschaft zu predigen.“
US-Experten schreiben El Kaida nicht ab
US-Experten schreiben das Terrornetzwerk El Kaida noch nicht ab. Viel werde von der weiteren wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den arabischen Ländern abhängen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und der Kampf gegen die Korruption würden als Gradmesser dienen, ob Demokratie als erfolgreich angesehen wird.
„Bei Regimewechseln in der arabischen Welt profitiert auf kurze Sicht El Kaida, weil die Umstürze die Instabilität erhöhen und ein Machtvakuum schaffen“, sagt der Terrorexperte Barak Barfi von der New America Foundation in Washington. Westlichen Ländern wie den USA falle nun die Aufgabe zu, zu einer wirklichen Verbesserung der Lebenverhältnisse beizutragen. Sollte dies nicht gelingen, „dann wird El Kaida auch langfristig gedeihen“, sagt Barfi. (afp)