Kairo. . Die Regierungen von Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben Ägyptens Präsident Mubarak aufgefordert, auf jegliche Gewalt gegen Demonstranten zu verzichten. Mubarak berief am Samstag erstmals einen Vize-Präsidenten: Geheimdienstchef Suleiman.
Am fünften Tag der Massenproteste in Ägypten ist der Druck auf Präsident Husni Mubarak im In- und Ausland gestiegen. Trotz der Ernennung eines Vizepräsidenten und eines neuen Regierungschefs gingen die Demonstrationen am Samstag weiter, bislang kamen laut Sicherheitskreisen und Ärzten mehr als 90 Menschen bei Zusammenstößen mit der Polizei ums Leben. Berlin, Paris und London forderten Mubarak auf, einen Wandel einzuleiten.
Allein am Freitag und Samstag wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei im ganzen Land mindestens 85 Menschen getötet, wie Ärzte und Sanitäter am Samstag sagen. Am Samstag wurden allein zwölf Tote aus der Stadt Beni Sueif etwa 140 Kilometer von der Hauptstadt Kairo gemeldet, drei Menschen starben jeweils in Kairo und Rafah, fünf weitere in Ismailija. Am Freitag kamen demnach 62 Demonstranten ums Leben; sieben Menschen starben an den ersten drei Protesttagen.
Nur Stunden nach der Entlassung der Regierung ernannte Mubarak seinen engen Vertrauten, Geheimdienstchef Omar Suleiman, zum Vizepräsidenten. Es ist das erste Mal seit Mubaraks Amtsantritt 1981, dass er einen Stellvertreter benennt. Der bisherige Luftfahrtminister Ahmed Schafik wurde zum neuen Ministerpräsidenten berufen und erhielt den Auftrag zur Regierungsbildung, wie staatliche Medien berichteten. Er ist sowohl bei Vertretern der Führung als auch der Opposition ein angesehener Politiker.
Ausgangssperre verlängert
Nach tagelangem Schweigen hatte sich Mubarak in der Nacht zum Samstag erstmals zu den seit Dienstag andauernden Protesten geäußert. „Ich habe die Regierung gebeten zurückzutreten“, sagte er in einer Fernsehansprache. Zugleich versprach der 82-Jährige politische und wirtschaftliche Reformen.
Die über die Hauptstadt Kairo sowie die Großstädte Alexandria und Suez verhängte Ausgangssperre wurde auf 16 Stunden täglich verlängert. Die Armee, deren Generalstabschef Sami Anan nach Kairo zurückkehrte, rief die Demonstranten zur Beachtung der Sperre von 15.00 Uhr bis 7.00 Uhr MEZ auf.
Trotz des Verbots gingen auch am Samstagnachmittag zehntausende Menschen in Kairo auf die Straße und forderten in Sprechchören den „Abgang des Präsidenten“. Die Dienste zweier Mobilfunkanbieter funktionierten teilweise wieder, das Internet jedoch nicht.
Der nach Ägypten zurückgekehrte Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei forderte Mubarak erneut zum Rücktritt auf. Er werde sich weiterhin an den Protesten beteiligen, sagte der ehemalige Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) dem französischen TV-Sender France 24.
Obama fordert politische Reform in Ägypten
Politiker in aller Welt warnten vor weiterer Gewalt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron forderten Mubarak zur Einleitung eines „Transformationsprozesses“ auf, der sich in freien und fairen Wahlen widerspiegeln müsse. Das Auswärtige Amt riet „von nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Kairo, Alexandria und Suez“ ab. Fluglinien strichen oder verschoben Flüge nach Ägypten. Touristikunternehmen boten Urlaubern kostenlose Umbuchungen an.
US-Präsident Barack Obama bekräftigte die Forderung nach „konkreten Schritten für eine politische Reform“ in Ägypten und nach Zurückhaltung beim Einsatz von Gewalt. Das erklärte das Weiße Haus nach Beratungen Obamas mit seinem nationalen Sicherheitsstab.
Unruhen in Arabien
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Wegen der Unruhen in Ägypten haben nach Angaben von Gewährsleuten mehrere arabische Staaten damit begonnen, ihre Staatsbürger auszufliegen. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Libanon und Jordanien hätten zusätzliche Flüge organisiert, verlautete am Samstag auf dem Kairoer Flughafen.
Auf dem Airport saßen den Angaben zufolge inzwischen rund 3.000 Menschen fest. Mindestens die Hälfte von ihnen waren Reisende, deren Maschinen nach Beginn des von der Regierung verordneten Ausgehverbots gelandet waren. Bei den anderen handelt es sich um Einheimische und Touristen, die versuchten, über den Luftweg außer Landes zu gelangen. Allerdings hatten mehrere Fluggesellschaften ihre Verbindungen gestrichen oder verzögert. (afp/dapd)
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