Tunis. .

Nach dem Sturz des tunesischen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali droht das Land im Chaos zu versinken. Plünderer zogen am Samstag durch die Städte und brannten den Bahnhof der Hauptstadt Tunis nieder, bei einem Brand in einem Gefängnis wurden 42 Menschen getötet, immer wieder waren Schüsse in den Straßen zu hören. Die großen deutschen Reiseveranstalter holten ihre Urlauber aus dem krisengeschüttelten Land nach Hause.

Angela Merkel (CDU) hat sich besorgt über die Situation in Tunesien gezeigt. „Wir werden die Lage genau beobachten, und uns auch um die kümmern, die aus Deutschland jetzt noch in Tunesien sind“, sagte Merkel am Freitagabend vor Beginn der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands in Mainz. Sie verwies darauf, dass das Auswärtige Amt bereits vor Reisen in das nordafrikanische Land gewarnt hatte. Merkel fügte hinzu, die Bundesregierung werde ihren Einfluss geltend machen, dass in Tunesien „die Dinge möglichst friedlich vonstatten gehen“.

Angesichts der Krise verschärfte das Auswärtige Amt seine Reisehinweise. Von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Tunesien wurde abgeraten und „dringend“ empfohlen, Anweisungen der Sicherheitsbehörden zu beachten. Das nordafrikanische Land wird seit Wochen von sozialen Unruhen erschüttert. Menschenrechtlern zufolge kamen bei den Protesten in den vergangenen Wochen dutzende Menschen ums Leben.

TUI und Thomas Cook holen Reisende zurück

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TUI und Thomas Cook wollten am Samstag mit zahlreichen Sondermaschinen Reisende nach Deutschland zurückfliegen. Die ersten Urlauber von Thomas Cook waren am späten Freitagabend wohlbehalten in ihrer Heimat zurückgekehrt.

Thomas Cook mit den Veranstaltern Neckermann Reisen, Thomas Cook, Bucher Last Minute und Air Marin hatte am Freitag die ersten 230 Reisenden aus Tunesien zurückgeholt. Sie landeten in Berlin, Düsseldorf und Wien. Die anderen 1.800 Thomas-Cook-Urlauber sollten mit acht Sonderflügen am Samstag von Monastir und Djerba aus starten. Deutschlands größter Reiseveranstalter TUI hatte rund 1.000 Urlauber in Tunesien, die alle noch am Samstag zurückkehren sollten.

TUI sagte alle geplanten Flüge bis einschließlich 24. Januar nach Tunesien ab. Es sei derzeit nicht zu verantworten, weitere Urlauber in das Land zu schicken, sagte der Leiter des TUI-Krisenstabes, Ulrich Heuer. Thomas Cook hat bis einschließlich 21. Januar alle Reisen von Deutschland nach Tunesien abgesagt. Die Veranstalter der Thomas Cook AG bieten ihren Gästen mit Abflug bis einschließlich 31. Januar die kostenlose Umbuchung ihrer Tunesien-Reise an.

Flucht nach 23 Jahren an der Macht

Nach wochenlangen gewaltsamen Unruhen hatte Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali nach 23 Jahren an der Macht das Land verlassen. Der tunesische Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi kündigte am Freitag im Staatsfernsehen an, er werde Ben Ali übergangsweise an der Staatsspitze ablösen. Zuvor hatte die Regierung den Ausnahmezustand verhängt. Der Unmut der Tunesier richtet sich gegen die hohe Arbeitslosigkeit, hohe Preise und mangelnde Freiheiten. Der Präsident äußerte sich bislang nicht dazu. Unbestätigten Medienberichten zufolge ist Ben Ali das Land verlassen. In seiner Erklärung habe Ben Ali auch vorgezogene Neuwahlen innerhalb der kommenden sechs Monate angekündigt, hieß es in einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur TAP.

Nach Berichten des US-Senders CNN patrouillierten am Samstag auf den Straßen Soldaten mit Panzern und Schützenpanzern. Auch Polizisten in Zivil seien unterwegs gewesen. Dabei soll es erneut zu Festnahmen gekommen sein.

Der öffentliche Fernsehsender TV7 strahlte Telefonanrufe aus, in denen die Bewohner von Arbeitervierteln der Hauptstadt Angriffe auf ihre Häuser beschrieben. Die Täter hatten den Angaben zufolge Messer bei sich.

Bei einem Gefängnisbrand in der Küstenstadt Monastir wurden am Samstag 42 Menschen getötet. Einer ersten Untersuchung zufolge seien die Opfer verbrannt oder an Rauchvergiftungen gestorben, sagte der Gerichtsmediziner Tarek Mghirbi. Die Ursache des Brandes sei bisher unklar.

Demonstranten bezeichnen Ben Ali als Mörder

Am Freitag hatte die Polizei Tränengas gegen mehrere tausend Demonstranten eingesetzt, die Ben Alis Rücktritt forderten. Sie skandierten Parolen wie „Ben Ali - raus“ oder „Ben Ali - Mörder“. Andere trugen Transparente mit der Aufschrift „Wir werden nicht vergessen“ und erinnerten damit an die zahlreichen Toten der vergangen Wochen.

Bei den Protesten am Freitag schlugen Polizisten in Zivil mit Stöcken auf Unbewaffnete ein. Die Demonstranten sangen die tunesische Nationalhymne und streckten ihre Fäuste in die Luft. Einige kletterten auf das Dach des Innenministeriums, ein Symbol des autoritären Regimes.

Unterdessen erhöhte sich die Zahl der Opfer der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen mehrheitlich jugendlichen Demonstranten und den Sicherheitskräften. Nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern wurden in der Nacht auf Freitag 13 Tote gefunden. Zudem seien rund 50 Menschen mit Schussverletzungen in mehrere Kliniken eingeliefert worden.

Unterschiedliche Angaben über Zahl der Opfer

Über die genaue Zahl der Opfer herrschte indes Unklarheit: Bislang hieß es von offizieller Seite, bei den Unruhen seien mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen. Die Opposition geht hingegen von mehr als 60 Opfern aus.

Angesichts der schwersten Unruhen seit seiner Machtübernahme vor 23 Jahren erklärte sich Ben Ali am Donnerstag zu Zugeständnissen bereit. Er kündigte Preissenkungen für Grundnahrungsmittel an und versprach eine Öffnung des politischen Systems, wozu auch eine Lockerung der Internetzensur gehört.

„Ich habe euch verstanden“, sagte Ben Ali in einer Fernsehansprache. „Ich werde es nicht dulden, dass ein weiterer Tropfen Blut vergossen wird.“ Er habe angeordnet, dass Sicherheitskräfte ihre Waffen nur noch dann einsetzen dürften, wenn sie bedroht würden. (dapd/afp, rtr)