Der Aufstand der Tunesier könnte zum Fanal werden.

Zine el-Abidine Ben Ali ist vor seinem Volk geflohen. 23 Jahre haben sie ihn ertragen, jetzt hat ihn die von seinem System so lange und eisenhart unterdrückte Wut der Tunesier weggefegt. Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie lieber sterben, als weiter zu schweigen, können von keiner Staatsgewalt aufgehalten werden. Der Protest in Tunesien ist symptomatisch für die Lage in Nordafrika.

Es gärt überall. In Marokko, in Algerien, in Ägypten; überall dort, wo verknöcherte, autokratische Regime verzweifelt bemüht sind, sich an der Macht zu halten. Der Westen hilft ihnen dabei, belässt es bei di-plomatischen Floskeln, wenn sie ihre Bürger foltern, zusammenknüppeln, erschießen, wenn sie Meinungsfreiheit und Menschenrechte mit Füßen treten. Es ist die alte Geschichte: Auch Despoten können nützlich sein, wenn sie zweckdienlich sind. Wenn sie schwarzafrikanische Flüchtlinge von den Küsten Europas fernhalten. Wenn sie gute Handelspartner sind. Wenn sie Erdgas oder Erdöl liefern. Wenn sie die islamistischen Bewegungen grausam unterdrücken, die ihre unsoziale und korrupte Politik erst hervorgebracht hat.

Die Menschen in Tunesien haben gezeigt, dass sie nicht die Hilfe eines bigotten Europas brauchen, um sich zu befreien. Für die Menschen in anderen Staaten Nordafrikas könnte der Aufstand der Tunesier zu einem Fanal werden. (Jan Jessen)