Berlin. .

Der Kommunismus sorgt für Aufregung, ausgerechnet bei der Linken. Parteichefin Gesine Lötzsch erntete vor allem bei Parteikollegen aus dem Osten mit ihren Äußerungen zum Kommunismus herben Widerspruch.

Lautet das Fernziel der Linkspartei doch Kommunismus? Ein Wortbeitrag von Parteichefin Gesine Lötzsch, der auch parteiintern als „unnötig undifferenziert zu verstehende Sympathiebekundung“ für das mehrfach gescheiterte Gesellschaftsmodell aufgefasst wird, schlägt Wellen. Die CSU bringt bereits ein Parteiverbotsverfahren ins Spiel. Was die Linke als „Ungeheuerlichkeit“ (Ko-Vorsitzender Klaus Ernst) zurückweist.

Am Montag, wenn die Linke in Berlin offiziell ihre erste politische Duftmarke in 2011 setzen will, wird von Lötzsch eine „unmissverständliche Klarstellung“ erwartet, heißt es aus einigen Landesverbänden. Dabei wird auch eine Frage unweigerlich wieder aufs Tapet kommen, die viele Linksparteimitglieder nicht mehr hören können: Wie viel Kommunismus steckt eigentlich (noch) in dem Zusammenschluss von PDS (Ost) und WASG (West)? Ein Überblick:


Vorweg: Was hat Lötzsch gesagt - und warum fallen die Reaktionen so harsch aus?

Die Parteichefin hat mit Blick auf eine Podiumsdiskussion unter anderem geschrieben: „Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren.“ Dabei sei es notwendig, der „Entfesselung des Kapitalismus“ mit seinem „Übergang in die offene Barbarei“ eine menschlichere Zukunftsperspektive entgegenzustellen. Da Lötzsch das K-Wort benutzt, „ohne der blutigen Spur des Kommunismus auch nur einen Viertelsatz zu widmen“, so Thüringens Linkspartei-Fraktionschef Bodo Ramelow, fühlen sich Kritiker in ihrem Urteil bestätigt, die Linke peile langfristig einen umwälzenden Systembruch an – eine andere Republik.


Ist Ramelow der einzige parteiinterne Kritiker von Rang?

Nein. Bis auf die Linken-Spitzenkandidatin in Hamburg hat sich kein prominenter Links-Politiker nennenswert mit Lötzsch solidarisiert. Gestern grätschte auch Fraktionschef Gregor Gysi seiner Kollegin in die Beine. Insbesondere in den Bundesländern, die vor Wahlen stehen, ist der Unmut groß. Man weiß um die enormen Emotionen, die der Begriff „Kommunismus“ freisetzen kann. Gerade in den realpolitisch-pragmatisch geprägten ostdeutschen Landesverbänden, darunter viele mit Regierungserfahrung, ist das Stöhnen groß. Matthias Höhn, der Landesvorsitzende Sachsen-Anhalts, wo die Linke am 20. März Chancen auf den Ministerpräsidentenstuhl hat, erklärt: „Demokratie, Freiheit und Solidarität sind und bleiben Maßstab unserer Politik.“


Gibt es daran Zweifel?

Aus Sicht des Verfassungsschutzes schon. Die richterlich genehmigte Praxis, die Linkspartei sehr zu ihrem Leidwesen von den Verfassungsschützern beobachten zu lassen, begründet Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm vor allem mit „extremistischen Strömungen“ in der Partei, „von denen wir überzeugt sind, dass sie ein Problem mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben“, wie Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) bereits im Sommer dieser Zeitung sagte.


Was sind das für Strömungen, welche Rolle spielen sie?

Da ist zunächst die „Kommunistische Plattform“ (KPF). Laut Verfassungsschutz mit 1100 Mitgliedern der mitgliederstärkste extremistische Zusammenschluss in der Linken. Steht in marxistisch-leninistischer Tradition und setzt sich für die Überwindung des Kapitalismus ein. Medienwirksamste Führungsfigur war bis vor kurzem die stellvertretende Parteichefin Sahra Wagenknecht.

Dazu kommen: Die „Sozialistische Linke“ (SL). 700 Mitglieder und mit rund zehn Leuten im Bundesvorstand vertreten. Zur SL gehört das trotzkistische Netzwerk „marx21“. Randerscheinungen sind aus Sicht der Verfassungsschützer der „Geraer Dialog“ (knapp 120 Mitglieder) und das „Marxistische Forum“ (knapp 50 Mitglieder). Über die Schlag- und Strahlkraft dieser Gruppierungen, die bei 80 000 Linksparteimitgliedern eine Minderheit darstellen, gibt es nur Spekulationen. „Aufschluss wird erst das für Ende 2011 erwartete Parteiprogramm geben“, heißt es inoffiziell beim Verfassungsschutz. Reform-orientierten Kräfte in der Linkspartei, die nach anschlussfähigen Schnittmengen mit SPD und Grünen suchen, sind die Tiraden der extremen Linksaußen gleichwohl ein Dorn im Auge.

War es der einzige rhetorische Missgriff von Linke-Politikern?

Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke sagte zu den „Verfehlungen“ des DDR-Staatssicherheitsdienstes, diese hätten „in erster Linie dem Sozialismus schweren Schaden zugefügt“. Christel Wegner (Niedersachsen) irritierte mit ihrer Analyse, der Mauerbau habe die DDR vor Unbill aus Westdeutschland geschützt. Zuletzt löste Niedersachsens Landesvorsitzender Diether Dehm heftiges Kopfschütteln aus, als er bei der Bundespräsidentenwahl 2010 formulierte, zwischen Wulff und Gauck auswählen zu müssen, sei für seinesgleichen so wie die Wahl zwischen Hitler und Stalin...