Berlin.

Das Kommunismus-Bekenntnis von Linken-Chefin Gesine Lötzsch sorgt für Aufsehen. Fraktionschef Gregor Gysi distanzierte sich von ihren Äußerungen, Sahra Wagenknecht gab ihr Rückhalt.

Kurz vor dem politischen Jahresauftakt der Linken hat Vize-Chefin Sahra Wagenknecht der wegen ihrer Kommunismus-Äußerungen umstrittenen Vorsitzenden Gesine Lötzsch Rückendeckung gegeben. „Wer Lötzsch unterstellt, dass sie in die Vergangenheit zurück will, verfälscht böswillig. Die Linke will die DDR nicht wieder haben“, sagte Wagenknecht am Freitag in einem dapd-Interview. Wer den Aufsatz gelesen habe, dem sei klar, dass Lötzsch dort unter Kommunismus nicht die Systeme der Vergangenheit verstehe.

Am Montag trifft sich die Linke in Berlin zu ihrem Jahresauftakt. Lötzsch hatte in einem Aufsatz für die marxistische Zeitung „Junge Welt“ geschrieben: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“ Im letzten Satz sprach sie aber vom demokratischen Sozialismus als Zukunftsdevise.

„Rücktritt von Oskar noch nicht weggesteckt“

Wagenknecht, die innerhalb der Partei Vertreterin der Kommunistischen Plattform ist, rief ihre Partei zur Geschlossenheit auf: „Wir werden denen, die die Linke klein haben wollen, nicht den Gefallen tun, uns zu zerlegen“, sagte sie und fügte hinzu: „Ich hoffe auf einen Auftakt, bei dem wir unsere Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen.“

Wagenknecht zeigte sich ungeachtet aller parteiinternen Streitigkeiten mit der neuen Doppelspitze Klaus Ernst und Lötzsch zufrieden. „Die beiden wurden in einer sehr schwierigen Situation an die Spitze gewählt. Es ist völlig klar, dass eine Partei den Rücktritt einer Persönlichkeit wie Oskar Lafontaine nicht einfach so wegsteckt“, erklärte Wagenknecht. Immerhin seien die Umfragewerte stabil.

Auch Lötzsch sieht Kommunismus als „belastet“ an

Scharf kritisierte Wagenknecht Mitglieder, „die sich offenbar nur dadurch profilieren können, dass sie versuchen, führende Mitglieder unserer Partei öffentlich zu diffamieren“. Sie forderte: „Die Heckenschützerei in der Partei muss aufhören.“

Gesine Lötzsch hat ihre heftig kritisierten Äußerungen zum Kommunismus nachdrücklich verteidigt. Der „Berliner Zeitung“ sagte Lötzsch: „Natürlich ist der Begriff Kommunismus belastet. Wir sollten uns aber keine Denkverbote auferlegen lassen.“ Sie sei von den Veranstaltern der am Samstag stattfindenden Rosa-Luxemburg-Konferenz gebeten worden, „über Wege zum Kommunismus nachzudenken und dieser Bitte bin ich nachgekommen“. Das bedeute aber nicht, dass sich die politische Zielsetzung ihrer Partei verändert habe. „Das Ziel der Linken bleibt der demokratische Sozialismus“, sagte Lötzsch der Zeitung.

Die Partei habe sich schon mehrfach distanziert

Auf die Frage, weshalb sie in ihrem vorab veröffentlichten Text auf jegliche Distanzierung von kommunistischen Verbrechen verzichtet habe, sagte die Linken-Chefin: „Der Kommunismus an sich ist doch eine uralte Idee, die die Sehnsucht nach einer gerechten Gesellschaft ausdrückt. Alles, was wir im vergangenen Jahrhundert erlebt haben, hatte nichts mit Kommunismus zu tun, das war Stalinismus oder real existierender Sozialismus.“ Ihre aus der PDS hervorgegangene Partei habe sich von den Verbrechen, die im Namen dieser Ideen begangen worden seien, seit 1989 mehrfach eindeutig distanziert. „Unsere Positionen zu den Verbrechen, die begangen wurden, sind klipp und klar. Das heißt für mich aber nicht, dass der Begriff Kommunismus aus der deutschen Sprache getilgt werden sollte.“

Es sei nun einmal so, dass sich die Menschen in Deutschland fragten, „wie kann man in einer Gesellschaft, die von Krisen geschüttelt ist, nach neuen Wegen suchen“. Der Weg der Linken führe in eine Gesellschaft, „die frei von Ausbeutung und Diskriminierung ist. Und die wollen mir mit demokratischen Mitteln erreichen.“

Lötzsch hält Rede auf Landesparteitag der Hamburger Linken

Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch wird am Samstag (8. Januar) zum Landesparteitag der Linken in Hamburg erwartet. Die Rede von Lötzsch sei für den Vormittag (10.30 Uhr) geplant, sagte ein Parteisprecher am Freitag auf dapd-Anfrage. Die Hamburger Linke hatte Lötzsch in der Diskussion zuletzt unterstützt.

Hintergrund ist ein in der linken Zeitung „Junge Welt“ veröffentlichter Text von Lötzsch über „Wege zum Kommunismus“. Darin heißt es etwa: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“ Im letzten Satz sprach sie aber vom demokratischen Sozialismus als Zukunftsdevise.

Neben Lötzsch wird der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, auf dem Landesparteitag in Hamburg erwartet. Auf der Versammlung wollen die hanseatischen Linken ihr Wahlprogramm zur vorgezogenen Bürgerschaftswahl verabschieden. Auch stellt sich Fraktionschefin Dora Heyenn am Sonntag (9. Januar) als Spitzenkandidatin den Parteimitgliedern.

Gysi distanziert sich von Lötzsch

Am Wochenende verabschieden ferner die einstigen Hamburger Koalitionäre, die CDU und die Grün-Alternative Liste (GAL), auf Parteitagen ihre Wahlprogramme und Landeslisten. Für die Christdemokraten zieht Bürgermeister Christoph Ahlhaus in den Wahlkampf, für die Grünen Anja Hajduk. Ebenso tritt bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung am Sonntag am Rande der Präsidiumssitzung der Spitzenkandidat Olaf Scholz gemeinsam mit Parteichef Sigmar Gabriel und dem Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier auf. Anlass für die vorzeitigen Neuwahlen am 20. Februar war der Bruch der bundesweit ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene.

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, ist auf Distanz zu den umstrittenen Kommunismus-Äußerungen von Parteichefin Gesine Lötzsch gegangen. „Als Politiker muss ich berücksichtigen, dass andere unter dem Begriff Kommunismus Stalin verstehen oder an die Mauer denken“, sagte Gysi am Freitag in Berlin. Der Begriff werde nicht im neuen Parteiprogramm vorkommen, auch nicht in der „politischen Praxis“. Ziel der Linken sei der demokratische Sozialismus.

Gysi: „Einstellung der Menschen berücksichtigen“

„Wir müssen die Einstellung der Menschen berücksichtigen, sonst selektieren wir uns. Das ist immer falsch“, sagte der Fraktionschef mit Blick auf die Reaktionen. Es sei jedoch wichtig, das Gedenken an Menschen, die zum Beispiel von den Nazis ermordet worden waren, aufrechtzuerhalten. Dazu gehöre auch das Gedenken an Kommunisten.

Gysi nannte die Formulierungen unglücklich. „Vielleicht hätte man etwas mehr dazu schreiben müssen.“ Natürlich dürfe nicht unerwähnt bleiben, „welche Verbrechen im Namen des Kommunismus begangen wurden“. Die Linke verstehe unter Kommunismus nach dem Philosophen Karl Marx „etwas sehr Edles: eine höchst gerechte und humane Gesellschaft“, sagte Gysi. Er hoffe, dass Lötzsch am Samstag (7. Januar) bei der Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Konferenz „klar Stellung bezieht“.

Forderungen der CSU zur Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die Linkspartei wies Gysi zurück. „Die CSU-Führung hat eine schwere Meise“, sagte der Fraktionschef dazu. Die Landesgruppe solle überlegen, wie oft sie in der „Mehrheit des Bundestages schon das Grundgesetz verletzt hat“. Die Linke bezeichnete Gysi als „Bereicherung für die Demokratie“. (dapd)