Brüssel. .

Die Situation ist ­heikel, die EU-Kommission dreht und windet sich: Ungarn, das im Januar die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernimmt, nimmt die Presse hart an die Kandare. Dürfen die das? Was sagt Brüssel? Nichts.

Natürlich verfolge man die Entwicklung aufmerksam, er­klärte am Mittwoch ein ver­legener Kommissionssprecher und bediente weitere Frager nach Art einer automatischen Telefon-Ansage: Man sei erstens für die Medienfreiheit und zweitens Hüterin der EU-Verträge. Und prüfe deswegen, ob die neuen Mediengesetze der Regierung in Budapest mit den EU-Gesetzen und -Prin­zipien in Einklang stünden. An­sonsten: Kein Kommentar. Auch nicht, bis wann die Prüfung abgeschlossen sein soll.

Die Ungarn übernehmen im Januar den Vorsitz der 27 EU-Staaten. Den Partnern behagt nicht, dass die Regierung von Ministerpräsident Viktor ­Orban zum selben Termin eine neue Medienverfassung in Kraft treten lässt, in der Betroffene und Außenstehende – von der Opposition über die OSZE und den europäischen Journalistenverband bis zu den Reportern ohne Grenzen – ein ungehöriges Knebel­gesetz sehen.

Konservative errangen Zwei-Drittel-Mehrheit

Öffentlich-rechtliche wie private Medien in Ungarn werden künftig einem fünfköpfigen Aufsichtsrat unterstellt, der „objektive und ausgewogene Berichterstattung“ sicherstellen soll. Als Zwangsmittel drohen Strafen bis zu 700 000 Euro. „Wie bei Lukaschenko“, wetterte der frühere sozialistische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany. Orban hat allerdings seine Macht auf demokratisch tadellosem Weg ge­wonnen: Seine nationalkonservative Fidesz-Partei errang bei Wahlen im Frühjahr eine Zweidrittelmehrheit.

Die seither betriebene Um­krempelung der Institutionen und Besetzung von Schlüsselpositionen mit Fidesz-Getreuen macht aber auch den EU-Partnern angst und bange. Das ungarische Mediengesetz sei eines EU-Vorsitzenden „un­würdig”, erklärte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Es liege „ein klarer Verstoß gegen Geist und Buchstaben der EU-Verträge“ vor.

In Berlin verlautbarte Kanzlerin Angela Merkel ihre Beunruhigung und verlangte, die Regierung Orban müsse der europäischen Kritik „Rechnung tragen“.