Berlin. Wer war die Frau, die der Partei sechs Millionen Euro hinterließ? In der Nachbarschaft ist man nach Bekanntwerden der Spende empört.
Alte vermögende Damen vererben ihren Reichtum in der Regel den engsten Verwandten. Oder zumindest wohltätigen Einrichtungen, etwa dem Tierheim oder engagierten Klimaschützern. Helga Schwab aus Berlin-Dahlem dagegen entschied sich dafür, ihr Vermögen in Höhe von 5,96 Millionen Euro der Alternative für Deutschland (AfD) zu hinterlassen. In ihrem einstigen Umfeld sorgte die Meldung für Befremden. „Sie war so eine nette alte Dame“, erinnert sich eine Nachbarin.
Schwab verstarb 2023. Dort, wo sie lebte, wo ihr zweigeschossiges Haus steht, sieht so gar nichts nach Extremen jedweder Art aus. Wer etwa vom U-Bahnhof Dahlem entlang der mäßig befahrenen Tempo-30-Zone Brümmerstraße darauf hinzuläuft, sieht in den Millionen-teuren Einfamilienhäusern Küchen wie aus dem Schöner-Wohnen-Magazin, Kunstobjekte auf den Fenstersimsen, gepflegte Fassaden, die den Wiederverkaufswert stabil halten. Auf Klingelschildern belassen es die Bewohner hier lieber diskret bei eingravierten Initialen.
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AfD-Spende: Eine Spurensuche in Berlin-Dahlem
Während am Bahnhof junge frierende Männer in dünnen Anoraks den Studenten der nahen Freien Universität Flyer der Grünen-Südwest zustecken, hängt am Laternenpfahl vor dem 2023 vererbten Haus dieser Tage das Wahlkampfplakat von CDU-Bundestagsdirektkandidat Adrian Grasse, dem unangefochtenen Platzhirsch im Kiez. Bei der Wiederholungswahl holte er vor zwei Jahren 40 Prozent der Stimmen. Die Konkurrenz fing erst bei der Hälfte seines Wertes an: 20 Prozent gingen an die Grünen. Die von Helga Schwab so reich bedachte AfD dagegen schaffte nicht einmal die Fünf-Prozent-Hürde. Nur 4,6 Prozent der Leute im Viertel entschieden sich für sie.
Dass sich nun ausgerechnet die herzliche alte Dame im ersten Stock in einer Art innerlichen Opposition befand, habe unter den Nachbarn im Nachhinein dann schon einiges „Befremden“ ausgelöst, sagt eine Dahlemerin.
Der Fall ist in der Nachbarschaft bekannt
Wie überall, wird auch in der Brümmerstraße unter den Anwohnern viel geredet, getratscht, einiges möglicherweise nicht ganz korrekt abgespeichert. Die Anwohnerin im Haus nebenan jedenfalls hatte lange nur gute Erinnerung an Helga Schwab. „Habe ich im Garten gearbeitet, hat sie mir vom Balkon gegenüber zugewunken.“ Kam man ins Gespräch – es blieb bis zuletzt beim „Sie“ –, ging es meist um die Freuden der Natur: um die blühende Wiese zwischen den Gebäuden, um die liebenswerte Eigenheiten umherstreunender Katzen. Jedenfalls nicht ums Politische.
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Der einzige Moment, als man im Gespräch mal gesellschaftliches Geschehen streifte, sei Mitte des vergangenen Jahrzehnts gewesen. Immer mehr Flüchtlinge kamen damals insbesondere infolge des Bürgerkriegs in Syrien nach Deutschland. Die alte Frau aus der Weltkriegsgeneration habe da gesagt: „Das sind so viele, das wird nicht gut.“ Die Nachbarin erklärt, das seien eben Ängste gewesen, die sie ihr dann vorsichtig ausgeredet habe. „Ich hatte da nicht herausgehört, dass sie einen irgendeinen Drall nach Rechts hätte.“
2023 war die nette Frau aus dem Nachbarhaus dann plötzlich tot. Einen Ehemann oder Kinder habe es nicht gegeben. Die Nachbarin sei danach von einer Reise zurückgekehrt und habe es dann erst erfahren. Zuletzt seien häufig Ärzte bei Helga Schwab gewesen. Doch es blieb nicht, wie sonst in der Großstadt üblich, beim Andenken an eine Nachbarin, mit der einen einmal eine höfliche Bekanntschaft verband. Denn was dann herauskam, zeigte die Seniorin von einer ganz unerwarteten Seite. „Da waren wir alle sehr bestürzt.“
Das Haus, in dem Helga Schwab wohnte
Die Nachbarin sagt, ihr sei zu Ohren gekommen, dass das noch teils bewohnte Haus an die Partei ging. Am Klingelschild steht für das Obergeschoss weiterhin „H. Sch.“. Die Fenster im ersten Stock sehen auffällig anders aus als in den betont repräsentativen Wohnungen nebenan, in die sich die Bewohner durchaus gern hineinschauen lassen. Die Gardinen in der einstigen Etage von Helga Schwab sind dekorativ gerafft, mit kleinen Stickereien verziert. Blickdicht.
Wohin das Erbe fließt, hat sich nach ihrem Tod herumgesprochen. Irgendwann seien auch die offenbar neuen Eigentümer aufgetaucht. Sie hätten sich ihren Besitz im feinen Dahlem näher angeschaut, sich dort auch vorgestellt. Als sie nebenan auftauchten, sagt die einstige Nachbarin von Helga Schwab, habe sie gleich an das alte Kinderbuch von Michael Ende gedacht. „Kennen Sie ‚Momo‘?“, fragt sie an diesem Donnerstagvormittag. Die Ankunft der neuen Besitzer habe sie nämlich an das zerstörerische Heer anonymer Kahlköpfe im Roman erinnert: die „Grauen Herren“.
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Große Spende an den AfD-Bundesverband
Am Mittwoch waren die Rechenschaftsberichte der Bundestagsparteien für 2023 veröffentlicht worden. Darin teilte die AfD unter anderem mit, Helgas Schwab habe „den Bundesverband im Jahr 2023 als alleinigen Erben bedacht“. Der Nachlasswert betrage 5.957.969,66 Euro.
AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter sagte zur Morgenpost, Frau Schwab habe infolge einer Kampagne reagiert, bei der die Partei Bürger einlud, ihr ihr Erbe zu hinterlassen. Es umfasse Immobilien und andere Werte. Schwabs alte Wohnnug sei unbewohnt.
Im Nachbarhaus an der Brümmerstraße sagt die Anwohnerin zum Abschied, sie habe damals, nach der Todesnachricht, überlegt, dass es doch schön wäre, zu Helga Schwabs Beisetzung zu gehen „und Blümchen“ aufs Grab zu legen. Aus alter Verbundenheit. Aber denkt sie jetzt an das reiche Erbe, das die AfD zukünftig in die Verbreitung des parteilichen Gedankenguts investieren kann, schüttelt es die Nachbarin. Nicht bildlich gesprochen, sondern sichtlich. Und bevor sie die Tür zu ihrer Wohnung gegenüber dem Haus der neuen Eigentümer schließt, sagt sie mit einem Gesichtsausdruck, als müsse sie ausspucken: „Pfui Teufel.“