Berlin. Gesundheitsminister Lauterbach will den Zugang zu Therapeuten für Geflüchtete erleichtern. Markus Lanz spricht von „politischem Sprengstoff“.
Die letzte Sitzung des Bundestages vor den Wahlen ist vorüber. Für Moderator Markus Lanz war es am Dienstag in seiner ZDF-Talkrunde ein Anlass, den Studiogast und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu fragen, ob er denn Abschied von der Regierungsbank genommen habe. Lauterbach verneinte das, denn die Wahl sei ja noch nicht gelaufen und „eine neue Amtsperiode ist nicht ausgeschlossen“, bemerkte er, um dann rasch anzufügen, dass sein durch einen Tweet erzeugtes Zerwürfnis mit Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz „ausgeräumt“ sei.
Das durfte als unverhohlene Bewerbung für das Amt des Gesundheitsministers auch in einem möglichen Kabinett von oder mit Merz verstanden worden sein. In einem Tweet hatte Lauterbach nach dem gemeinsamen Votum von Union und AfD in der Migrationsfrage geschrieben, dass sich Merz, wo es ihm helfe, auch von Nazis unterstützen lasse. Das sei falsch gewesen und er habe sich dafür entschuldigt, sagte Minister Lauterbach. Aber ob die Entschuldigung wirklich angenommen worden ist, daran zweifelte zumindest die Journalistin Kerstin Münstermann („Rheinische Post“), die nach einem Gespräch mit CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Eindruck gewonnen hatte, dass Lauterbach Merz mit der Bemerkung „wirklich getroffen habe“.
Lauterbach will Geflüchtete und Psychotherapeuten zusammenbringen
Für Lauterbach geht die Arbeit aber auch in den letzten Tagen der „Rest-Ampel“ noch weiter, und er musste ausführlich Stellung nehmen zu seiner Äußerung, dass 30 Prozent der Flüchtlinge psychische Probleme aufwiesen – ein Hinweis auf die Gefahrenlage nach Magdeburg und Aschaffenburg. Die Zahl habe ihn „umgehauen“, meinte Markus Lanz, worauf Lauterbach betonte, die Zahl der wirklichen Gefährder sei viel kleiner, aber das Thema von psychisch kranken Flüchtlingen müsse enttabuisiert werden. Lanz schob nach, das sei „politischer Sprengstoff“ und bedeute häufig eine Gefahr für andere.
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Deshalb werde er am Freitag nach anderthalb Jahren der Vorarbeit im Bundesrat eine Verordnung einbringen, die Ärzten und Psychotherapeuten die Arbeit mit vulnerablen Gruppen wie Flüchtlingen erleichtere. Denn Tatsache sei auch, dass die Flüchtlinge mit ihren Traumata gar keine psychotherapeutische Behandlung erhielten, denn man habe ja auch für „den Rest der Bevölkerung“ zu wenig Angebote in diesem Fachbereich.
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„Wie wollen Sie denn bei einer Million Flüchtlinge die psychisch Erkrankten herausfiltern?“, fragte Lanz einigermaßen ratlos, doch Lauterbach sah darin kein großes Problem: Es sei durchaus möglich, in den Asylunterkünften diejenigen mit gefährlichen Psychosen oder Suchtverhalten zu identifizieren.
Experte bezeichnet AfD als „Geisterfahrer“ in Europa
Die Talkrunde lief thematisch etwas ungeordnet, sprang von einem Thema zum anderen, aber immer wieder landete die Debatte bei der AfD. So erklärte der AfD-Experte der „FAZ“, Justus Bender, dass die deutschen Rechtspopulisten gerade in Europa als „Geisterfahrer“ unterwegs seien. Während andere Rechtsparteien in der EU sich mäßigten, radikalisiere sich die AfD.
Deren Chefin Alice Weidel lebe mit einer Frau in einer Partnerschaft, aber er wisse trotz vieler Gespräche mit ihr nicht, was in ihr eigentlich vorgehe, wenn ihre Partei mal wieder beschließe, dass Familie dort sei, wo es Vater und Mutter gebe. Er wisse aus Hintergrundgesprächen nur, so Bender, dass Weidel „anders sei“ als sie öffentlich erscheine.
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Zum Aufwind dieser Partei im letzten Jahrzehnt bemühte Bender Platon, der über das Volk schrieb, dass es, wenn es leid sei, irgendeine Form von Autorität zu ertragen, einen Tyrannen wähle und erst später erkenne, welches „Früchtchen“ man sich da eingefangen habe. Bender erinnerte auch daran, dass es vor der AfD in Deutschland schon die Wutbürger gegeben habe, etwa im Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart21, als sich Protestler über den Willen von gewählten Volksvertretern und Gerichten hinweggesetzt hatten: „Das hat die alle gar nicht interessiert.“
„Ich begreife die FDP nicht“
Warum die FDP im Bundestag bei einem Migrationsantrag der Union gemeinsam mit der AfD zugestimmt habe, das begreife sie einfach nicht, hielt die Journalistin Münstermann dem FDP-Generalsekretär und Ex-Justizminister Marco Buschmann vor. Der ging vor allem auf den Punkt der Zurückweisung von illegalen Migranten an der Grenze ein. Ja, es treffe zu, dass er diese Maßnahme früher abgelehnt habe – aus juristischen Gründen. Aus politischen Gründen sei er aber dafür. Und das Recht lasse sich ändern, in diesem Falle das Völkerrecht und das EU-Recht. Es sei doch widersprüchlich, dass man illegale Migranten an der EU-Außengrenze hineinlasse und dies dann erneut an den EU-Binnengrenzen tue.
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Scharf rechtfertigen musste sich Buschmann auch für die neun Punkte, unter der sie eine Regierungsbeteiligung ausschließt und die von einer Verweigerung ihres Wunsches nach einer Kapitaldeckung in der Rentenfinanzierung bis hin zu einer Beschädigung der Schuldenbremse reichen. Ob so etwas nicht anmaßend sei, angesichts von Umfragewerten von vier Prozent, wollte Lanz wissen. Buschmann erläuterte dies mit einer Klarheit gegenüber dem Wähler von einer Partei, die für ihre Prinzipien sogar ihre Ämter geopfert habe. Auch Lauterbach fand die neun Punkte der FDP als Ausschlusskriterium eigentlich sehr zutreffend: „Es wird nach dem 23. Februar nämlich keine Regierungsbeteiligung der FDP geben.“