Berlin. Wie will Christian Lindner die Trendwende erreichen? Bei „Hart aber fair“ musste er sich mit einem cleveren Linken-Chef herumschlagen.
Es sind für Christian Lindner mutmaßlich keine angenehmen Wochen. Erst das Ampel-Aus, bei dem die FDP als treibende Kraft (Stichwort „offene Feldschlacht“) denkbar schlecht aussah. Und nun geht auch noch der einst dahinterstehende Plan nicht auf: Von einem rasanten Anstieg der Umfragewert kann keine Rede sein, die FDP muss um den Einzug in den Bundestag bangen.
Was also ist Christian Lindners Strategie? Das ließ sich bei „Hart aber fair“ beobachten. Neben dem FDP-Chef diskutierten: Sahra Wagenknecht (BSW), Dorothee Bär (CSU) und Jan van Aken (Linkspartei).
„Was hindert Melanie daran, zu arbeiten?“
In der Debatte zeigte sich schnell, dass Christian Lindner auf einen Balanceakt setzte. Einerseits tat der FDP-Chef viel, um nicht das Bild des herzlosen Neoliberalen zu bedienen. So räumte er etwa ein, dass manche Menschen schlicht nicht sparen können, weil sie zu wenig verdienen. Auch sei klar, dass manche einfach nicht arbeiten können, etwa weil sie krank sind. Und sind die Deutschen zu faul? Nein, es seien doch eher Probleme wie eine mangelnde Kinderbetreuung, die häufig zu Teilzeitlösungen führten, wiegelte der FDP-Chef ab.
So weit, so brav. Auf der anderen Seite versuchte Lindner aber durchaus, die liberale Spielart seiner FDP zu betonen. Und die setzt natürlich nach wie vor auf Leistung und Individualität. Eine anwesende Bürgergeld-Empfängerin versuchte er etwa mit einem „ich würde gerne wissen, was Melanie daran hindert, zu arbeiten“ zu coachen.
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Auch bei der Höhe des Bürgergelds zeigte Lindner Härte. Diese sei unabhängig über einen Warenkorb berechnet, da wolle er sich politisch nicht einmischen. Auch höre er von Handwerksbetrieben, bei denen sich Mitarbeiter ins Bürgergeld abmeldeten, weil sich das mehr lohne. Sollten dann also nicht die Löhne rauf? Nein, Lindner ist da wirtschaftsnah: „Die Solidarität der Gesellschaft sollte man nur so lange in Anspruch nehmen, solange es wirklich nötig ist“, mahnte der FDP-Chef.
Der Linke piesackt den Liberalen
So richtig ging Lindners Taktik aber nicht auf. Zum einen überraschte der FDP-Chef wenig, sondern arbeitete vielmehr typische FDP-Sprechzettel ab. Zum anderen gelang es seinen Mitdiskutanten immer wieder, ihn aus der Balance zu bringen.
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Mit offensichtlich großer Freude betrieb das vor allem Jan van Aken. Immer wieder piesackte er Lindner als unsozialen, abgehobenen Politikertyp, der keine Ahnung vom wahren Leben der Menschen im Land habe. „Die FDP ist nicht mehr liberal“, befand der Chef der Linkspartei. „Es haben viel zu viele Menschen unter Christian Lindner gelitten, deshalb ist es gut, wenn die FDP jetzt nicht reinkommt.“
Mit sozialromantischen Vorwürfen gegen kapitalistische Kälte
Der so Gescholtene ließ sich davon durchaus aus der Ruhe bringen. So verstieg sich Lindner zur unbelegten Behauptung, dass die Dunkelziffer der Totalverweigerer im Arbeitsmarkt viel höher sei als bekannt, weil nur wenige Fälle von den Arbeitsvermittlern „markiert“ würden. „Was reden Sie, Herr Lindner? Waren Sie jemals in einer Arbeitsagentur!?“, erwiderte da van Aken.
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Die Taktik des Linken-Chefs war geschickt, zugleich aber auch ein wenig unfair, weil so auch legitime Vorstöße von Lindner unter sozialromantischen Vorwürfen der kapitalistischen Kälte begraben wurden. Gleichzeitig hielt sich das Mitleid mit Lindner auch in Grenzen: Hat der FDP-Chef seine Partei in den vergangenen Jahren nicht eben so ausgerichtet, dass die Methode van Aken ohne größere Mühen in Situationen wie einer Talkshow verfängt?
Das Fazit
Und so enthüllte diese Ausgabe von „Hart aber fair“ eine Überraschung: Christian Lindner und Olaf Scholz haben etwas gemeinsam. Beide wollen in nunmehr weniger als zwei Wochen viele Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen. Doch fehlt ihnen und auch den Zuschauern die Fantasie für eine Antwort auf die Frage, mit welcher überzeugenden Erzählung das eigentlich gelingen soll.
Wie also will Christian Lindner den Karren noch mal aus dem Dreck ziehen? In dieser Talkrunde war keine dahingehende Strategie erkennbar. Die üblichen Statements werden jedenfalls nicht reichen. Für die Liberalen werden es bange Tage werden.