Neuholland. Weniger Dünger, Bio, mehr Tierwohl – steigende Auflagen machen es Landwirten schwer. Ein Kartoffelbauer sagt, was ihn jetzt erwartet.

Der Weg zum Hof von Christoph Plass führt vorbei an grauen Einfamilienhäusern, in die Jahre gekommenen Fabrikhallen und der schicken Glasfassade eines Supermarkts. Dann kommt lange nichts, bis man in eine Straße, die eigentlich mehr einem asphaltierten Feldweg gleicht, abbiegen muss. Nach einigen weiteren Minuten Fahrt befindet sich Plass‘ landwirtschaftlicher Betrieb auf der rechten Seite.

Neuholland heißt der brandenburgische Landstrich, weil sich hier im 17. Jahrhundert mal niederländische Siedler niederließen. Vermutlich fühlten sie sich an ihre Heimat erinnert. Die Landschaft hier ist flach, die Böden moorig-sandig, die Wiesen sind grün. Berge gibt es nur in den Hallen von Christoph Plass. Spötter könnten behaupten, der Landwirt habe hier, 40 Autominuten von Berlin entfernt, die höchsten Erhebungen in der Gegend geschaffen.

Bauer sorgt sich um Wettbewerbsfähigkeit: „Ich mache mir große Sorgen“

Plass ist Ackerbauer. Genau genommen baut er im großen Stil Kartoffeln an. Und die Ernte schichtet er in großen, überdachten Hallen zu Haufen auf. Man kann auch Kartoffelberge dazu sagen. Bus-hoch liegen die Knollen hier. Nun steht der Bauer vor so einer Knollen-Anhäufung und stellt die Zukunft infrage. „Ich mache mir große Sorgen, dass die Wettbewerbsfähigkeit auf der Strecke bleibt und die nächste Generation dann einfach keine Landwirtschaft mehr macht“, sagt Plass dann.

Landwirt Christoph Plass
Plass‘ Hof in Neuholland im Landkreis Oberhavel in Brandenburg: moorig-sandiger Boden, grüne Wiesen. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Plass ist ein brummiger Typ, der seine Haare hinten zu einem Schwanz zusammengebunden hat. Mit 19, das war Mitte der 1990er-Jahre, zog Plass aus dem elterlichen Betrieb im Emsland aus und pachtete ein Stück Land in Neuholland. Auf 90 Hektar begann er damit, Kartoffeln anzubauen. Mittlerweile ist daraus eines der größten landwirtschaftlichen Unternehmen in der Gegend geworden. 3000 Hektar Ackerfläche bewirtschaftet Plass, hat in der Spitze 20 Angestellte und erzielt gut sechs Millionen Euro Jahresumsatz. Heute ist Plass 48 Jahre alt und es gibt Tage, an denen hat er die Leidenschaft für die Landwirtschaft verloren.

Bürokratie, Vorgaben, Datensammelwut: Bauer weiß nicht immer, wofür

Als gelernter Landwirt steht Plass noch immer vergleichsweise häufig auf dem Feld. Die Zeit nimmt er sich, obwohl er sie wohl auch im Büro verbringen könnte. Dabei sei sein Betrieb vergleichsweise weit bei der Digitalisierung. Die richtige Menge Dünger bringt Plass auch mithilfe von Satelliten auf die Felder auf. All das, was auf den Äckern dokumentiert werden muss, wird per Cloud ins Büro übertragen. Eine Vollzeitarbeitskraft muss sich dann ausschließlich darum kümmern, die Informationen aufzubereiten, so viele Daten seien das, erzählt Plass. „50 Prozent davon sind für die Tonne. Die Daten schaut sich niemand an oder zumindest nicht richtig an“, vermutet er.

Auch interessant

Plass kann sich aufregen über Vorgaben von Bund und EU, die ihm die Arbeit schwer machten. Den Green Deal und das Entwaldungsgesetz nennt er als Beispiele oder auch die sogenannte Stoffstrombilanz, die zeigen soll, wie effizient Bauern wirklich düngen. Als Plass den früheren Brandenburger Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) einmal darauf ansprach, was eigentlich mit den Daten geschehe, habe der auch keine Antwort gewusst, erzählt der Kartoffelbauer.

Von der Ampel geplantes Aus der Agrardieselrückerstattung führte zu Protesten

Und selbst auf Kreisebene trifft Plass auf Bürokratie, die er sich nicht erklären kann. Für seine überbreiten Mähdrescher muss er Sondergenehmigungen beantragen, um die Fahrzeuge auch im regulären Straßenverkehr nutzen zu können. Da Plass mit seinem Betrieb in zwei Landkreisen tätig ist, stellt er die Anträge doppelt, und das, weil es Verordnungen so vorschreiben, alle zwei Jahre. Über so etwas schüttelt nicht nur Christoph Plass den Kopf.

192936_1325_192936_cover.jpg

#4 Cem Özdemir über die Bedrohung durch Erdogans Anhänger

Meine schwerste Entscheidung

Der Frust der deutschen Bauernschaft über staatliche Eingriffe und Vorgaben entlud sich Ende 2023, als die Ampel beschloss, das über Jahre etablierte Prinzip der Agrardieselbeihilfe zu streichen. Daraufhin gingen deutschlandweit viele Landwirte auf die Straße. Auch Plass zog mit seinem Traktor bis vor das Brandenburger Tor in Berlin und vor die Parteizentrale der Grünen. Dass die Ampelkoalition nun endlich Geschichte ist, findet Plass gut, obwohl er selbst FDP-Mitglied ist. Über den damaligen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der dem Streichen der Förderung auch zugestimmt hat, sagt er: „Meine Vermutung ist, dass er in der Sitzung geschlafen hat.“

Landwirt Christoph Plass
„Farming for Future. Not just on Fridays“, steht auf dem Lkw von Landwirt Christoph Plass. Mit seinem Traktor fuhr der Kartoffelbauer schon vor das Brandenburger Tor und vor die Parteizentrale der Grünen. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Kartoffelbauer Plass: Zwischenhändler verdienen auch noch mit

Kurzfristig konnten die Landwirte zwar das Aus für die Subvention verhindern, sie läuft allerdings aus. 2026 soll die Agrardieselrückvergütung vollständig wegfallen. Plass‘ Betrieb werden ab dann etwa 50.000 Euro pro Jahr fehlen. Eine neue Bundesregierung sollte den Beschluss zurücknehmen, findet der Bauer. Ohnehin brauche es einheitliche europäische Vorgaben. Plass steht mit seinen Kartoffeln im Wettbewerb mit Betrieben aus Polen oder aus Belgien und den Niederlanden. Der Markt, sagt Plass, regele knallhart. Ist Plass zu teuer, kaufen die Abnehmer eben woanders.

Rund 12.000 Tonnen Kartoffeln werden auf den Feldern rund um Neuholland jedes Jahr geerntet. Theoretisch reiche diese Menge, um 270.000 Menschen satt zu bekommen, rechnet Christoph Plass vor. Seine Kartoffeln verkauft er an große Konzerne wie das kanadische Unternehmen McCain, das daraus vor allem Tiefkühl-Pommes macht. Aber auch McDonald‘s zählt zu den Abnehmern der Knollen, die als besonders schmackhaft gelten. Sorten, die Plass anbaut, heißen Goldmarie oder Fontane. Seine Ernte verkauft er über Zwischenhändler, die auch noch mitverdienen.

Eine Zeit lang hatte der Landwirt auch versucht, Kartoffeln ohne Umweg an die Verbraucher zu verkaufen. Doch die sogenannte Direktvermarktung mit Bio-Produkten blieb ohne Erfolg. „Die Leute sagen zwar alle, sie möchten das gerne, aber der Schwur an der Kasse wird ja nicht gemacht. Der schlimmste Spruch, der die Deutschen geprägt hat, ist ‚Geiz ist geil‘“, sagt Plass.

Auch interessant

Was sich der Landwirt von einer neuen Bundesregierung wünscht

Von der Politik wünsche er sich generell stabile Rahmenbedingungen und mehr Vertrauen. Landwirte wüssten schon selbst, wie es am besten gehe. Plass steht jetzt vor seinem Wohnhaus und deutet auf seine Ahnentafel, die er unterhalb des Dachgiebels einbauen ließ. Seit 1840 betreibe seine Familie Landwirtschaft. Nachhaltiger gehe es wohl kaum, sagt Plass. Wie lange das noch so weitergehe, wisse er nicht. Seine drei Kinder zeigten zwar Interesse. Aber soll man das der jungen Generation empfehlen? Er selbst könne im Moment nicht prognostizieren, ob sich Landwirtschaft in fünf Jahren noch lohnt.

Landwirt Christoph Plass
Mit Schildern wie diesen vor ihren Traktoren protestierten bundesweit Landwirte gegen das von der Bundesregierung geplante Förder-Aus für Agrardiesel. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Auf Plass‘ Hof sind die Schilder der vergangenen Proteste stumme Zeugen der steigenden Frustration innerhalb eines ganzen Berufszweigs. „Ist der Bauer ruiniert, wird Dein Essen importiert“, steht in weißen Lettern auf einem blauen Banner. Von einer Europalette wird es nur halb verdeckt. Fast so, als könne es jederzeit wieder zum Einsatz kommen.