Berlin. „Möglicherweise muss man den Konflikt noch einmal eskalieren“: Militärexperte Carlo Masala sagt, wie über Frieden verhandelt werden könnte.

Kann man den russischen Machthaber Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zwingen? Militärexperte Carlo Masala über Druck und Deals im Ukraine-Krieg, den deutschen Wahlkampf und Trumps Schnaps-Idee für Gaza.


Ist Donald Trumps Plan für den Gaza-Streifen eine Schnaps-Idee? Oder braucht diese Region radikale Lösungen?

Carlo Masala: Es ist eine Schnaps-Idee. Aber natürlich braucht diese Region Lösungen, die außerhalb der eingefahrenen Wege sind. Die Zwei-Staaten-Lösung wird von den meisten in Israel abgelehnt, teilweise von den Palästinensern auch. Es werden schon neue Gedankenanstöße gebraucht. Aber die Idee, die Palästinenser auszusiedeln und Gaza in ein sozusagen großes Immobilien-Projekt zu verwandeln, ist natürlich Humbug.

Auch interessant

Selenskyj: Notfalls mit Putin verhandeln

weitere Videos

    Trump hat auch im Ukraine-Krieg Vorschläge gemacht. Seltene Erden gegen Unterstützung. Ist das ein Lösungsansatz?

    Masala: Stopp. Das stimmt nicht. Der Vorschlag kam nicht von Trump. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat ihn gemacht, als er im Herbst in Washington war, um seinen Siegesplan zu präsentieren. Er hat Joe Biden wie Donald Trump dieses Angebot unterbreitet. Ein Teil seines Siegesplanes ist: Die USA bekommen den Zugriff auf die Seltenen Erden. Trump stellt das jetzt nur so dar, als sei es seine eigene Idee, das ist es aber nicht. Die Amerikaner stellten die Frage, warum sollen wir die Ukraine so umfassend militärisch unterstützen? Was kriegen wir dafür? Und das ist die Antwort auf – was kriegen wir dafür.

    Selenskyj sagt, er sei zu Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Putin bereit, Putin lehnt es aber ab, mit Selenskyj zu sprechen. Gibt es Druckmittel, die Putin an den Tisch zwingen könnten?

    Masala: Das wird in den USA bereits diskutiert. Man weiß, dass man möglicherweise den Konflikt noch einmal eskalieren muss, um Putin zu Verhandlungen zu zwingen. Die Idee, die von einigen ventiliert wird – und Trump hat das auch angedeutet – ist die kurzfristige Erhöhung der Ölfördermengen, um den Ölpreis fallen zu lassen. Und damit die Russen in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen.

    191615_1325_191615_cover.jpg

    #1 Robert Habeck über Krieg, Frieden und Waffen

    Meine schwerste Entscheidung

    Ist das realistisch?

    Masala: Ja. Wenn die Saudis zustimmen, die Opec mitmacht, werden die Ölfördermengen erhöht, was nicht das erste Mal wäre. Dann sinkt der Preis und es gibt zwei Staaten, die massiv davon betroffen wären: Russland und Iran. Beides im Interesse von Trump. Das könnte auch Russland möglicherweise dazu bewegen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.

    Auch interessant

    Es gibt zurzeit massive ukrainische Angriffe auf Gas- und Ölanlagen in Russland. Ist das bedrohlich für Putin?

    Masala: Das ist schwer einschätzbar, ob es bedrohlich ist. Aber es schadet Putin und der russischen Wirtschaft. Viel hängt davon ab, wie lange Reparaturen dauern und wie schnell der normale Betrieb wieder aufgenommen werden kann.

    Welche Rolle spielen die Soldaten aus Nordkorea? War ihr Einsatz ein Fehlschlag?

    Masala: Der Einsatz der Nordkoreaner war nie dazu gedacht, dass den Durchbruch zu erzielen. Die Soldaten wären Teil eines Deals zwischen Nordkorea und Russland. Es ist offensichtlich eine sehr hohe Anzahl von Nordkoreanern getötet worden. Derzeit ist unklar, ob Nordkorea die Soldaten abgezogen hat oder nicht.

    Auch interessant

    Der Krieg geht jetzt ins vierte Jahr. Putin droht unverhohlen, spricht vom dritten Weltkrieg. Er führt längst einen hybriden Krieg auch gegen Deutschland. Gestritten wird im Wahlkampf aber um Migration und Brandmauern. Das Thema Sicherheit bleibt auf der Strecke. Trauen sich die Parteien nicht, den Menschen die Wahrheit zu sagen?

    Masala: Ja, so ist es. Alles, was mit Sicherheit zu tun hat, ist mit viel Geld verbunden. Und dann muss man darüber reden, woher das Geld kommen soll. Die Parteien, die an der Schuldenbremse festhalten, müssten dann erklären, an welchen Ecken sie streichen wollen. Und die Parteien, die die Schuldenbremse aufweichen wollen, sind nicht unbedingt die Parteien, die einen harten Ukraine-Kurs fahren wollen. Wir haben mit Blick auf die Bedeutung der Bundesrepublik einen ziemlich provinziellen Wahlkampf.

    Im März erscheint ihr neues Buch „Wenn Russland gewinnt“. Was passiert denn, wenn Russland gewinnt?

    Masala: Das Buch ist ein Szenario basierend auf den breiten Diskussionen und Annahmen, dass Russland in fünf bis neun Jahren in der Lage sein könnte, die Nato anzugreifen. Es beleuchtet das Szenario, dass Russland die Nato testet – mit einem begrenzten Angriff. Es beschreibt die politischen Prozesse in den Nato-Staaten, die dann in Gang gesetzt werden – und analysiert, welche Entscheidung die Nato dann gegebenenfalls fällt und welche Konsequenzen das dann hat.

    Carlo Masala

    Er ist einer der bekanntesten Militärexperten in Deutschland. Masala (Jahrgang 1968) lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um den Konflikt in der Ukraine.