Berlin. Wie seriös sind die Umfragen zur Bundestagswahl? Ein Insider und ein Experte erklären, wie groß der Einfluss der Institute ist.
Kanzlertrend, Sonntagsfrage, Koalitionsoptionen: Die Bürgerinnen und Bürger werden in diesen Wochen vor der Bundestagswahl mit Umfrageergebnissen überhäuft. Die Datingseite einer Boulevardzeitung will sogar repräsentativ herausgefunden haben, mit welchen Spitzenkandidaten der Bundestagsparteien die Deutschen am liebsten „eine heiße Nacht“ verbringen würden. Die Umfrage solle, betonen die Verfasser, „natürlich mit einem Augenzwinkern“ betrachtet werden.
Zum Lachen ist verschiedenen Parteien allerdings derzeit nicht zumute, wenn sie auf die Umfragen blicken. Da wäre zum Beispiel Sahra Wagenknecht: Ihre Neugründung BSW tritt erstmals zu einer Bundestagswahl an. Nach spektakulären Erfolgen bei drei Ost-Landtagswahlen im vergangenen September liegt das BSW in aktuellen Umfragen knapp unter oder nur knapp über fünf Prozent und muss demnach befürchten, den Einzug in den Bundestag zu verpassen.
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![Friedrich Merz, CDU-Chef und Kanzlerkandidat der Union, beim Foto-Shooting im Berliner Konrad-Adenauer-Haus. Für das TV-Duell mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) fühlt er sich gewappnet. Friedrich Merz / CDU](https://img.sparknews.funkemedien.de/408243046/408243046_1738836056_v1_1_200.jpeg)
BSW-Chefin Wagenknecht sieht „massive Interessen“ an Wahlschlappe ihrer Partei
Nachdem zwei Institute sogar nur drei Prozent für das Bündnis Sahra Wagenknecht gemessen hatten, witterte die Parteichefin Verschwörung. „Wir wissen natürlich auch, dass mit Umfragen auch Stimmungen gemacht werden“, sagte Wagenknecht. „Ob das Manipulation ist oder Zufall, das kann sich jeder selber zusammenrechnen.“ Es gebe „massive Interessen“, ihre Partei „aus dem Bundestag rauszuhalten“. Die Politikerin wirft den Meinungsforschungsinstituten damit indirekt vor, mit den von ihnen veröffentlichten Zahlen Politik zu machen, um das Wahlergebnis zu beeinflussen.
Ein Wahlkampfstratege aus einer der großen Parteizentralen hält dies für Quatsch. Die großen Meinungsforschungsinstitute wie beispielsweise Forsa, Insa, Allensbach, Infratest dimap oder die Forschungsgruppe Wahlen und ihre Ergebnisse gälten alle als seriös. Zudem lassen die Parteien eigene Daten erheben, die nicht veröffentlicht werden. Sie dienen dazu, Stimmungen aufzuspüren und den Wahlkampf zu planen. Diese Zahlen deckten sich im Großen und Ganzen mit den Werten der anerkannten Institute, berichtet der Parteistratege.
![197505_1325_197505_cover.jpg 197505_1325_197505_cover.jpg](https://img.sparknews.funkemedien.de/408123180/408123180_1738851961_v1_1_200.jpeg)
Politikexperte spricht über die Macht der Umfragen
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder hat jedoch Verständnis für die Sorge, die hinter Wagenknechts Mutmaßungen steht. „Umfrageinstitute haben durchaus Einfluss“, sagt der Professor von der Uni Kassel. Die Zustimmungswerte für das BSW wiesen schon seit längerer Zeit nach unten. „Wenn noch nicht festgelegte Wähler sehen, dass eine Partei laut Umfrage an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern droht, könnten sie ihre Stimme anderweitig vergeben“, beschreibt Schroeder den Sog, der eine Partei erfassen kann. „Insofern sind die Umfragen für die betroffenen Parteien eine große Herausforderung.“
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Der Umfragemarkt ist hart umkämpft. Neue Akteure mit anderen Methoden drängen in die Branche. Wer ein Wahlergebnis am besten vorhergesagt hat, triumphiert. Genauigkeit verspricht Prestige und Einnahmen. Allerdings haben diverse Institute und ihre Gründer den Ruf, bestimmten Parteien zuzuneigen – und diese in ihren Umfragen immer etwas besser aussehen zu lassen als die Konkurrenz. So galt das Institut für Demoskopie Allensbach lange als CDU-nah, entsprechend ordneten manche Politiker, Analysten und Journalisten die Zahlen der Meinungsforscher vom Bodensee stets mit einer gewissen Vorsicht ein.
![In Umfragen liegt die Union knapp zwei Wochen vor der Wahl vorne. BSW, Linke und FDP müssen um den Einzug in den Bundestag zittern. Wahlplakate zur Bundestagswahl 2025. BTW25. Zur Wahl sind bundesweit 41 Parteien zugelassen. // 28.01.2025: Stuttgart, B](https://img.sparknews.funkemedien.de/408243282/408243282_1738905636_v16_9_1200.jpeg)
So arbeiten Meinungsforscher
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums stand das Forsa-Institut lange im Verdacht, der SPD besonders gewogen zu sein. Gründer Manfred Güllner ist SPD-Mitglied und galt ehedem als Einflüsterer des früheren sozialdemokratischen Kanzlers Gerhard Schröder. „Der Güllner sagt mir heute, was die Menschen in sechs Wochen von uns denken“, lobte Schröder einmal. Inzwischen äußert sich Güllner allerdings immer wieder kritisch zu seiner Partei und attestierte ihr vor mehr als fünf Jahren: „Die SPD ist in der Auflösung begriffen.“ In der SPD selbst wird mittlerweile eher mit Kritik und schlechteren Umfragewerten gerechnet, wenn sich Güllner und Forsa zu Wort melden.
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![HANDOUT - Auf einem Computerbildschirm ist ein Ergebnis einer Abfrage des Wahl-O-Mat für die Bundestagswahl 2021 dargestellt. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat heute das mittlerweile traditionelle Online-Tool freigeschaltet, mit dem die Bürger ihre politischen Haltungen anhand von Thesen mit der Position der einzelnen Parteien vergleichen können. +++ dpa-Bildfunk +++ Wahl-O-Mat](https://img.sparknews.funkemedien.de/408089003/408089003_1738837448_v1_1_200.jpeg)
Politikexperte Schroeder weist auf die Methodik der Institute hin. Da die Meinungsforscher aus einer möglichst repräsentativen Stichprobe auf alle Wählerinnen und Wähler schließen, bergen die Ergebnisse erhebliche Ungenauigkeiten. „Die Umfrageergebnisse bewegen sich in Margen, haben also Fehlerquoten“, erläutert Schroeder. Die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen weist beispielsweise in ihrem vielbeachteten Politbarometer darauf hin, dass der Fehlerbereich bei einem Anteilswert von 40 Prozent rund drei Prozentpunkte betrage – in beide Richtungen.
Kommt die Wagenknecht-Partei in den Bundestag?
Kommt eine Partei bei der Erhebung in der sogenannten Sonntagsfrage (Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre?) also auf 40 Prozent, kann der tatsächliche Wert in der Gesamtbevölkerung zwischen 37 und 43 Prozent liegen. „Innerhalb dieser Margen kann man nach oben oder unten abweichen. Diese Freiheit schlägt sich auch in den fixierten Umfrageergebnissen nieder“, ist sich Schroeder sicher. „Beispielsweise fallen die Allensbach-Ergebnisse für die CDU eher günstiger aus, und die Insa-Ergebnisse für die AfD. Sie fischen also eher am oberen Rand“, vermutet der Politikwissenschaftler.
Zurück zu Wagenknecht. Die BSW-Chefin hat mit einer weiteren Unschärfe der Umfragen zu kämpfen: Umso geringer das prognostizierte Ergebnis ist, desto größer wird die anteilige Fehlerspanne. Ob das BSW und andere kleinere Parteien also in den Bundestag einziehen, wird ihnen ganz sicher erst das offizielle Wahlergebnis zeigen.
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