Berlin. Bei einer Veranstaltung begründet die Altkanzlerin ihre Kritik an Merz und erzählt, warum ihr die CDU manchmal „Schmerzen“ bereite.
Deutschland stehe vor dem Scherbenhaufen einer seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik, hatte Friedrich Merz nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg gesagt – und damit eine Woche historischer Abstimmungen im Bundestag eingeleitet. Namentlich hatte er niemanden genannt. Ob sich Altkanzlerin Merkel, die zumindest sieben der letzten zehn Jahre die Regierungsgeschäfte geleitet hatte, davon angesprochen fühlt?
Die Kanzlerin a. D. muss schmunzeln. Auch durch das Parkett des Schauspielhaus Hamburg geht Gelächter, als Moderatorin Mariam Lau bei der Veranstaltung der „Zeit“ am Mittwochabend die Altkanzlerin mit der Aussage konfrontiert. „Ja, natürlich“, gesteht Merkel schließlich doch. Und sie gibt zu verstehen: Die Kritik hat die Adressatin erreicht.
![197505_1325_197505_cover.jpg 197505_1325_197505_cover.jpg](https://img.sparknews.funkemedien.de/408123180/408123180_1738851961_v1_1_200.jpeg)
Merkel: So erklärt sie ihre Kritik an Merz
Ob Merkel sie sich zu Herzen nimmt, bleibt an diesem Abend fraglich. Schließlich hatte die Altkanzlerin in der vergangenen Woche den Spieß umgedreht. In einem für die Bundesrepublik nahezu einmaligen Vorgang hatte sie ihren Nachfolger im Parteiamt gerügt. Tags zuvor hatte Friedrich Merz seinen Entschließungsantrag durch das Parlament gebracht – erstmals mit Stimmen der AfD.
Auch interessant
![Friedrich Merz, CDU-Chef und Kanzlerkandidat der Union, beim Foto-Shooting im Berliner Konrad-Adenauer-Haus. Für das TV-Duell mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) fühlt er sich gewappnet. Friedrich Merz / CDU](https://img.sparknews.funkemedien.de/408243046/408243046_1738836056_v1_1_200.jpeg)
Am Mittwochabend ist Merkel nicht verlegen, ihre Kritik zu wiederholen: „Ich mische mich ja in die normalen politischen Auseinandersetzungen nicht ein“, sagte sie. Eine Nacht habe sie darüber schlafen müssen, bis ihr Entschluss festgestanden habe: Es ist „richtig und notwendig, meine Meinung dazu zu sagen“. Und die habe darin bestanden, „dass ich das falsch fand“.
Auch interessant
„Es ist meine Partei, wenngleich sie mir manchmal Schmerzen bereitet.“
Wie auch in ihrem über ihr Büro kommunizierten Statement betont Merkel, dass sie Merz‘ „staatspolitische Aussage“ eigentlich sehr geschätzt hatte. Der CDU-Kanzlerkandidat hatte nämlich nach dem Bruch der Ampelkoalition noch im Bundestag an die demokratische Mitte appelliert, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Aus Merkels Kritik war dann der Vorwurf des Wortbruchs herauszulesen.
![Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht während einer Veranstaltung der „Zeit“. Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht während einer Veranstaltung der „Zeit“.](https://img.sparknews.funkemedien.de/408241693/408241693_1738818806_v16_9_1200.jpeg)
Vor ihrer Intervention habe sie mit Merz nicht gesprochen. Das sei „nicht die Situation, die zwischen uns ist“, so die Altkanzlerin. Merkel und Merz gelten als alte Rivalen, hatte doch die langjährige Kanzlerin in den frühen 2000ern ihrem Konkurrenten mit der Übernahme des Fraktionsvorsitzes Aussichten auf ein Regierungsamt verbaut. „Wir können da beide sehr gut mit umgehen“, so Merkel über ihre Kritik an Merz‘ Politikstil heute. Und ergänzt mit Blick auf die CDU: „Es ist meine Partei, wenngleich sie mir manchmal Schmerzen bereitet.“
Auch interessant
![Markus Söder (l-r), CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, Angela Merkel (CDU) und Joachim Sauer nehmen am Berliner Gespräch Spezial zum 70. Geburtstag der früheren Bundeskanzlerin teil. +++ dpa-Bildfunk +++ 70. Geburtstag der früheren Bundeskanzlerin Merkel](https://img.sparknews.funkemedien.de/408193843/408193843_1738233969_v1_1_200.jpeg)
Merkel: „Ich war halt langweilig“
Was Kritik an ihrer Person anbelangt, blockt die Kanzlerin a. D. zunächst ab. Sie zählt auf, was sie in ihrer Amtszeit alles versucht habe, um die Migration nach Deutschland einzudämmen: die Grenzkontrollen zu Österreich, den Deal mit Erdogan oder die Flüchtlingshilfe in Jordanien. „Ich halte die Flüchtlingspolitik der letzten zehn Jahre nicht für verfehlt“, so Merkel. „Ich sage aber: Wir sind nicht am Ende der Arbeit.“
Auch die Verantwortung für die Stärke der AfD, deren Stimmen ihr Nachfolger nach der Übernahme des Parteivorsitzes noch halbieren wollte, weist Merkel von sich. Und das nicht, ohne einen subtilen Hinweis an ihre Nachfolger zu geben: „Als ich aus dem Amt ging, lag die AfD bei ungefähr elf Prozent“, so Merkel. „Dass sie heute bei 20 liegt, das ist jetzt echt nicht mehr meine Verantwortung.“
„Die AfD definiert, wer das Volk ist“, so die Warnung Merkels. Und das müsse abgelehnt werden. Mit Blick auf die vergangene Woche beklagt sie, dass „eine gewisse Polarisierung“ eingetreten sei. Sie erinnert die Parteien der Mitte daran, dass auch wieder Kompromisse möglich sein müssten.
Als es im Laufe des Abends um ihr Buch geht, wird Merkel dann doch selbstkritisch. Auf eine entsprechende Frage antwortet sie zunächst, dass sie es sehr freue, dass so viele junge Menschen den 700-Seiten-Schinken lesen. Auf eine Nachfrage folgt ein kurzes Schweigen. Dann: „Ich war halt langweilig“, platzt es aus ihr heraus. „Das hat man schon gesagt, als ich Bundeskanzlerin war.“ Und so könne kaum jemand erwarten, dass die 70-Jährige einen Enthüllungsroman vorlegt.
- Aktuelles: Die wichtigsten News zur Bundestagswahl 2025 im Blog
- Analyse: TV-Duell zwischen Scholz und Merz – Wer hat gewonnen?
- FDP-Parteitag: Lindner ätzt gegen Habeck und kämpft um ein liberales Happy End
- Vier statt zwei: RTL erweitert TV-Debatte um Weidel und Habeck
- Interaktiv: Umfragen und Ergebnisse zur Bundestagswahl