Berlin. Der Verfassungsschutz erwägt, die gesamte Partei als gesichert rechtsextremistisch einzustufen. Die Verbotsdebatte erhält neuen Schub.
Wie rechts ist die AfD? Die Partei selbst sieht sich als bürgerliche Kraft. Verfassungsschutzbehörden hingegen halten bereits jetzt Teil-Organisationen der Alternative für Deutschland für gesichert rechtsextremistisch. Bald könnte auch die Gesamtpartei entsprechend eingestuft werden, ein entsprechendes Gutachten ist laut einem Medienbericht so gut wie fertig. Kommt es zu diesem Schritt, dürfte die Debatte über ein AfD-Verbot weiter an Fahrt gewinnen. Ein Überblick.
Wie blickt der Verfassungsschutz auf die AfD?
Die drei AfD-Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind von den dortigen Landes-Verfassungsschutzbehörden jeweils als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. In sechs weiteren Bundesländern gelten die AfD-Landesverbände als rechtsextremistische Verdachtsfälle. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wiederum hat die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als gesichert extremistische Bewegung eingestuft und darf das laut einem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts Köln auch tun.
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Die Richter begründeten dies unlängst unter anderem damit, dass die JA einen völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff vertrete und Verbindungen zu verfassungsfeindlichen Verbindungen unterhalte, insbesondere zur Identitären Bewegung. Darüber hinaus betrachten auch mehrere Landes-Verfassungsschutzbehörden die jeweiligen JA-Landesverbände entweder als gesichert rechtsextremistisch oder als Verdachtsfälle.
Was tut sich jetzt mit Blick auf die Gesamtpartei?
Die „Süddeutsche Zeitung“ meldete am Montag, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ein neues Gutachten über die Bundes-AfD vorbereite mit dem Ziel, diese ebenfalls als „gesichert extremistische Bestrebung“ einzustufen. Bislang wird die Gesamtpartei nur als Verdachtsfall des Rechtsextremismus geführt. Das bisher gültige Gutachten stammt aus dem Jahr 2021. Wie es in dem SZ-Bericht weiter heißt, arbeite ein Team des Bundesamts bereits seit Monaten an der neuen Bewertung. „Zum Inhalt gibt es offenbar intern wenig Diskussionen“, schreibt das Blatt unter Berufung auf dienstliche E-Mails.
Vorgesetzte hätten Mitarbeitern auf entsprechende Nachfragen mitgeteilt, dass schon die bloße „Fortsetzung der verfassungsfeindlichen Bestrebung“ in der AfD einer „Verdichtung“ der Hinweise auf deren rechtsextreme Gesinnung gleichkomme. Das Bundesamt schaue sich jetzt auch das Verhältnis der Partei zu Russland näher an, heißt es weiter. Eigentlich habe das neue Gutachten längst fertig sein sollen, Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang habe den Zeitplan ausdrücklich gebilligt. Nun werde die Fertigstellung mit Rücksicht auf eine für März vorgesehene Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster noch hinausgezögert. Dort klagt die AfD gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz.
Was hat es mit den verschiedenen Einstufungen auf sich?
Der Verfassungsschutz teilt mögliche Fälle verfassungsfeindlicher Bestrebungen in drei Kategorien ein: Die erste Kategorie ist der so genannte Prüffall. Hier sammeln die Ämter frei zugängliche Informationen, um abzuklopfen, ob es genügend Anhaltspunkte für eine Beobachtung gibt. Trifft das zu, wird aus dem Vorgang ein Verdachtsfall. Die Gruppierung darf jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Verfestigt sich der Verdacht, kann die Gruppierung als „gesichert extremistische Bestrebung“ eingestuft werden. Bei Stufe zwei und Stufe drei muss die Öffentlichkeit informiert werden.
Was sagt das Bundesamt für Verfassungsschutz zu den jüngsten Berichten in Sachen Bundes-AfD?
Die Behörde bestätigt sie nicht, aber sie dementiert sie auch nicht. „Zu behördeninternen Arbeitsabläufen nimmt das BfV grundsätzlich keine Stellung“, teilte der Inlandsnachrichtendienst am Montag mit. „Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutrifft oder nicht.“
Was würde eine Neueinstufung der AfD-Bundespartei bedeuten?
Bei Verdachtsfällen und gesichert extremistischen Bestrebungen kann der Verfassungsschutz die jeweilige Gruppierung intensiv beobachten, und zwar auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Er kann zum Beispiel V-Leute anwerben, Personen observieren und unter bestimmten Umständen auch Telefonate abhören oder Computer anzapfen. Da die AfD vom Verfassungsschutz bereits jetzt als Verdachtsfall eingestuft ist, würde sich an dieser Stelle also wenig ändern. Politisch wäre der Schaden aber größer: Eine führende Sicherheitsbehörde würde einer bedeutenden Partei attestieren, in ihrer Gänze gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu arbeiten.
Das könnte die AfD unter Umständen für bürgerlich-konservative Wähler unattraktiv machen und die Anschlussfähigkeit der Partei an andere Akteure noch weiter einschränken. Bei Beamten und andere Staatsangestellten, die AfD-Mitglied sind und sich dazu bekennen, könnte sich die Frage nach ihrer Verfassungstreue stellen. Eine Parteimitgliedschaft könnte unter Umständen ein Indiz dafür sein, dass es damit nicht weit her ist. Lassen sich Staatsdiener öffentlich verfassungsfeindlich ein oder handeln sie entsprechend, müssen sie mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Die bloße Mitgliedschaft in einer Partei reicht dafür aber nicht aus – sofern die Partei nicht verboten ist.
Rückt ein AfD-Verbotsverfahren jetzt näher?
Das ist nicht ausgeschlossen. Über einen möglichen Verbotsantrag wird immer wieder diskutiert. Zuletzt war der Anlass dafür ein Bericht über ein Treffen rechter Aktivisten und Politiker in Potsdam, bei dem die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutiert worden sein soll. Die rechtlichen Hürden für ein Parteienverbot sind allerdings sehr hoch. Hinzu kommt: Ein entsprechendes Verfahren würde lange dauern – von „vier bis sechs Jahren“ sprach Justizminister Marco Buschmann (FDP) unlängst im Interview dieser Redaktion.
Gleichwohl könnte die Debatte darüber oder über den Entzug staatlichen Geldes nun weiter an Schwung gewinnen. Die ehemalige Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff sagte am Montag dieser Redaktion, dass Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung, die solche Anträge stellen können, bei ihrer Entscheidung darüber nicht an die Einstufung des Verfassungsschutzes gebunden seien. „Die Entscheidung für oder gegen einen solchen Antrag ist ohnehin eine politische.“
Was sagt die Politik?
Vertreter von Regierung und Opposition hielten sich am Montag auffällig mit einer Kommentierung der jüngsten Meldungen in Sachen AfD zurück. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU) sagte dieser Redaktion: „Es ist die Aufgabe von Sicherheitsbehörden, Gefahren fortwährend, wachsam und nüchtern zu analysieren. Daraus können sich dann Entscheidungen ergeben, über die man aber erst spricht, wenn sie getroffen werden.“ Mit Blick auf die Debatte über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren ergänzte er: „Es hat sich eine Art Verbotskakophonie entwickelt, die von der AfD ausgenutzt wird, um sich als politisches Opfer der Regierung zu inszenieren.“
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