Berlin. Der Magdeburger Weihnachtsmarkt war geschützt. Doch der Täter nutzte eine Lücke. Es ist nicht die einzige Panne in dem Fall.
Die Lücke, die nun mehreren Menschen das Leben gekostet hat, ist nur ein paar Meter groß, hier zwischen Fußgängerampel und Strommast an der großen Straße in der Magdeburger Innenstadt. Eine Auffahrt auf den Fußweg, vier, vielleicht fünf Meter breit. Doch sie reichte aus, dass Taleb A. am Freitagabend um kurz nach 19 Uhr in seinem dunklen BMW-SUV von der Hauptstraße abbog und in Richtung Alter Markt fuhr. Auf den Weihnachtsmarkt.
Zeugen vor Ort berichten unserem Reporter, wie der Täter auf den Markt gekommen ist. Die Informationen decken sich auch mit einzelnen Aussagen von Passanten in sozialen Netzwerken, die am Abend dort gewesen sein wollen. Auch die Polizei bestätigt am Samstagnachmittag diese Route.
Ein paar Meter – ungeschützt ohne Betonpoller, seit dem islamistischen Attentat auf den Berliner Breitscheidplatz sollen sie eigentlich Attacken mit Fahrzeugen wie Lastwagen verhindern. Dort, wo Notfallgassen frei sein sollen, müssen eigentlich „mobile Absperrungen“ stehen, wie etwa Polizeiwagen. So sieht es nach Angaben der Polizei vor Ort auch die Strategie in Magdeburg vor. Am Freitagabend aber war das offenbar nicht der Fall. Taleb A. kam durch. Warum, bleibt offen.
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Todesfahrt in Magdeburg: Taleb A. nutzte offenbar „wunden Punkt“
Wochenlang diskutierte Deutschland angesichts erneut gestiegener Terrorismus-Gefahr über die Sicherheit von Weihnachtsmärkten. In vielen Städten wurden Schutzkonzepte verschärft, im November nach Angaben der Behörden auch für den Magdeburger Markt. Die Polizei äußert sich bei der Pressekonferenz im Rathaus am Tag nach der Tat unklar. Die Verantwortlichen verweisen vor allem auf die laufenden Ermittlungen zum Tathergang. Man halte den Schutz des Marktes insgesamt für „gut“, es habe aber offenbar „wunde Punkte“ gegeben. Dieser Punkt ist eine meterlange Lücke.
Doch nicht nur vor Ort sind offenbar Fehler mit fatalen Folgen passiert. Im Vorfeld der Tat soll es mehrere Hinweise an deutsche Behörden gegeben haben. Menschen meldeten sich, die Taleb A. für gefährlich halten, stellten sogar in einem Fall Strafanzeige. Anderenfalls lief es chaotisch: Im Spätsommer 2023 wendete sich eine Frau an das Social-Media-Team des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Taleb A. könne „Menschen töten“. Das Bundesamt ist keine Ermittlungsbehörde, es verweist die Frau an die örtliche Polizei. Offenbar, so belegen es Posts auf der Plattform „X“, kontaktierte die Frau dann nicht die Polizei in Berlin oder Sachsen-Anhalt – sondern versehentlich eine Dienststelle im US-Bundesstaat New Jersey.
Saudi-Arabien warnte deutsche Behörden vor Taleb A.
Auf seinem Profil kokettierte Taleb A. mit Gewalttaten, will wissen, wer ihn verurteile, wenn er „20 Deutsche“ wahllos töte. Mehrere Hinweise erreichten Polizei und Nachrichtendienste. Auch aus dem Heimatland von Taleb A. Saudi-Arabien warnte deutsche Behörden, wollte A. sogar ausgeliefert wissen. A. gilt in dem autoritären Staat als Dissident. Offenbar prüfte der Verfassungsschutz die Meldung aus dem Ausland, sah in A. aber keinen gefährlichen Islamisten, keine konkret geplante Tat. Auch das war im 2023.
Zugleich obliegt es der Polizei bei nicht-politischen Gewalttätern die Bevölkerung zu schützen. 2023 sollen Polizei in Magdeburg und das Bundeskriminalamt laut Recherchen der „Welt“ eine „Gefährdungsbeurteilung“, mit dem Fazit: keine konkrete Gefahr.
Polizisten können mutmaßliche Gewalttäter auch aufsuchen und ansprechen, um sie besser einzuschätzen. „Gefährderansprache“ heißt die Maßnahme im Beamtendeutsch. Die Polizei in Magdeburg teilt am Tag nach der Tat mit, eine solche Ansprache sei „versucht worden“. Warum sie scheiterte, müsse ermittelt werden.
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