Düsseldorf. Als die Entscheidung über ein Top-Thema des Ministerpräsidenten fällt, ist er nicht da. Die Staatskanzlei hat eine kuriose Erklärung.
In dieser Woche hat der Landtag mit 97 Ja-Stimmen den Weg für die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete frei gemacht. 63 Parlamentarier stimmten dagegen, elf enthielten sich. Auffällig: Ausgerechnet Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der für diese Geldkarte mächtig getrommelt und dessen Staatskanzlei von Beginn an dem Karten-Projekt mitgearbeitet hat, fehlte bei der namentlichen Abstimmung – unentschuldigt.
Ein Sprecher der Staatskanzlei erklärte dies am Freitag so: „Aufgrund eines Büroversehens wurde der Ministerpräsident nicht so rechtzeitig über die kurzfristig anberaumte namentliche Abstimmung informiert, dass er daran hätte teilnehmen können.“
Grüne sehen die Bezahlkarte für Flüchtlinge nach wie vor kritisch
Neben Wüst fehlten laut dem Sitzungsprotokoll bei der Abstimmung drei Abgeordnete der Grünen unentschuldigt. Diese Fraktion tut sich nach wie vor schwer mit der Bezahlkarte. Wie schwer, ist in einer „persönlichen Erklärung“ von vier Grünen-Abgeordneten zu sehen. Die Debatte über die Bezahlkarte, die eine Bargeld-Obergrenze von 50 Euro vorsieht, sei von „Verächtlichmachung, Abschreckung und Abschottung“ geprägt gewesen, steht dort. Die abschreckende Wirkung, die sich Teile der Politik von der Bezahlkarte erhofften, sei nicht zu belegen. Die Karte befördere aber die Stigmatisierung von Geflüchteten.
Dass die vier Parlamentarier am Ende der Karten-Einführung doch zustimmten, begründen sie mit der Möglichkeit der Kommunen, auf eine Einführung zu verzichten („Opt-Out“) und mit verbesserten Konditionen für Geflüchtete mit Kindern.
Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): „Wüst zieht sich aus der Verantwortung“
SPP-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat kommentierte das Abstimmungsverhalten so: „Dass der Ministerpräsident selbst sowie einige Abgeordnete der regierungstragenden Fraktionen der namentlichen Abstimmung fern geblieben sind, spricht Bände. Er zieht sich einmal mehr aus der Verantwortung.“ Am Ende bleibe eine zerstrittene Koalition mit einem Ministerpräsidenten an der Spitze, „der für die Umsetzung seines Prestigeprojektes in seiner eigenen Regierung keine breite Unterstützung hat und es noch nicht einmal für nötig hält, bei der Abstimmung darüber selbst dabei zu sein.“
Wüst und seine Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) hätten die Verantwortung bei der Bezahlkarte wegen des schwarz-grünen Koalitions-Krachs darüber auf die Kommunen geschoben, so Kapteinat weiter.
In den Städten ist die Bezahlkarte umstritten. Sie entscheiden über die Einführung vor Ort
Im November 2023 hatten die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vereinbart, dass Asylbewerber künftig Leistungen in Form einer Bezahlkarte erhalten können. Damit sollen unter anderem Geldüberweisungen von Geflüchteten ins Ausland verhindert werden. Einige NRW-Städte, zum Beispiel Dortmund, wollen die Karte nicht einführen. Die Fraktionssprecherin der Grünen im Dortmunder Rat, Katrin Lögering, begrüßt diese Ablehnung. Die Bezahlkarte verhindere Teilhabe und Integration von Geflüchteten.
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