Düsseldorf. Auf den ersten Blick sind in NRW 93,8 Prozent der vorgesehenen Unterrichtsstunden erteilt worden. Doch man sollte genauer hinschauen.

Der Unterrichtsausfall bleibt ein massives Problem der nordrhein-westfälischen Schulpolitik. Wie aus der Jahresstatistik 2023/24 hervorgeht, die Schulministerin Dorothee Feller (CDU) am Mittwoch im Landtag präsentiert hat, sind 4,8 Prozent der vorgesehenen Stunden ersatzlos ausgefallen. Im Schuljahr zuvor waren es noch 4,7 Prozent.

Wer tiefer in die Statistik schaut, sieht zudem, dass an Gymnasien und Gesamtschulen eine hohe Zahl an Vertretungsstunden ohne Lehrkraft zu verzeichnen war. Insgesamt konnten in NRW über alle Schulformen nur knapp 84 Prozent des Unterrichts so erteilt werden, wie das von den Schulen ursprünglich geplant gewesen ist. Davon entfielen 77,5 Prozent auf Unterricht gemäß Stundenplan und gut sechs Prozent auf „Unterricht in besonderer Form“ wie etwa Exkursionen, Klassenfahrten oder Praktika.

SPD betrachtet NRW-Konzept zur Unterrichtsversorgung als gescheitert

„Wir sorgen wie versprochen für größtmögliche Transparenz“, sagte Schulministerin Feller. Die Ergebnisse seien Ansporn und Herausforderung zugleich. SPD-Bildungsexpertin Dilek Engin sprach dagegen davon, dass Fellers Unterrichtsversorgungskonzept gescheitert sei. Die FDP beklagte einen „Rekordausfall“.

An den Gesamtschulen sind 13,2 Prozent des Unterrichts nur als „eigenverantwortliches Arbeiten“ erteilt worden und 3,9 Prozent der Stunden gleich komplett ausgefallen. Das heißt: Gut 17 Prozent der Stundentafel waren hier ohne Lehrkraft-Maßnahmen. An Gymnasien sehe es mit 11,5 Prozent „eigenverantwortlichem Unterricht“ und 2,8 Prozent Stundenausfall „nicht so viel besser aus“, räumte ein Ministerialbeamter ein.

NRW-Statistik zeigt nur den „ad hoc-Unterrichtsausfall“

„Was als pädagogisches Konzept verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Notfallprogramm, um den Lehrkräftemangel zu kaschieren“, kritisierte FDP-Bildungspolitikerin Franziska Müller-Rech. In fast 53 Prozent aller Fälle ist der Krankenstand im Lehrerkollegium für den Unterrichtsausfall verantwortlich. Zugleich zeigt die Statistik eine Mangelverwaltung auf: Rund 3 Prozent des Unterrichts kann nicht ordnungsgemäß erteilt werden, weil die Lehrkräfte in Fortbildungen und anderweitigen Aufgaben gebunden sind.

Seit Dezember 2022 habe NRW fast 12.000 Beschäftigte im System Schule neu eingestellt, darunter mehr als 10.000 Lehrkräfte, verteidigte sich Feller. Da in dieser Zeit jedoch Pensionäre ersetzt werden mussten und die Schülerzahlen stiegen, fehlen aktuell immer noch rund 8000 Lehrkräfte.

An der flächendeckenden Erhebung zur Unterrichtserteilung müssen alle öffentlichen Schulen teilnehmen. Jahrelang war eine solche Statistik politisch blockiert worden. Gemessen wird allerdings nur der „ad hoc“-Unterrichtsausfall, der laut Stundenplänen der Schulen eigentlich hätte erteilt werden sollen. Der strukturelle Unterrichtsausfall hingegen, bei dem die Schulen ohnehin schon mit ihren Stundenplänen von den landesweit vorgegebenen Stundentafeln abweichen, wird in diesen Tabellen nicht erfasst.

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