Brüssel/Berlin. Russland erhöht im Ukraine-Krieg massiv den Druck, die Front bröckelt. Ein brutaler Test für Donald Trump und seine Friedenspläne.
Kurz nach dem Wahlsieg von Donald Trump steht die Ukraine vor schweren militärischen Rückschlägen. Die russische Armee bereitet offenbar eine groß angelegte Offensive in der Region Kursk vor und erhöht auch den Druck in der Ostukraine, um dort einen strategisch wichtigen Durchbruch zu erreichen. Westliche Militärs und Sicherheitsexperten sind sicher: Russlands Präsident Wladimir Putin steigert gezielt die Angriffe – um sich militärisch eine optimale Ausgangsposition zu verschaffen, bevor es wohl zu jenen Friedensverhandlungen kommt, die Trump eigentlich noch vor dem Einzug ins Weiße Haus am 20. Januar initiieren will.
Der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, Oleksandr Syrskyi, schlägt Alarm: Die Lage zeige „Anzeichen der Eskalation“. Die russische Armee spiele für die Offensiven ihre zahlenmäßige Überlegenheit aus. „Putin will noch mehr Gebiete erobern bis zur Amtseinführung von Trump“, warnt der Russland-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin.
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In der russischen Region Kursk, wo der Ukraine im August ein größerer Vorstoß gelungen war, steht der Großangriff von Putins Truppen offenbar kurz bevor. Bislang hatten die Russen dort vor allem Raketen und Artillerie gegen die ukrainischen Kräfte eingesetzt, jetzt hat Putin dort nach US-Geheimdienstinformationen rund 50.000 Soldaten zusammenziehen lassen – 10.000 von ihnen sollen aus Nordkorea stammen. Die russische Führung hat offenbar darauf verzichten können, Truppen aus dem Donbass abzuziehen, wie es Kiew ursprünglich erhofft hatte.
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Allerdings verfügt die Ukraine in der Region Kursk noch über recht starke Kräfte, die eine Zeit lang standhalten könnten. Doch diese Soldaten fehlen nun im Donbass, wo die russische Armee zeitgleich immer stärker Druck macht. Sie versucht, mit massiven Angriffswellen die strategisch wichtige Stadt Kurachowe einzukesseln und die Stadt Pokrowsk zu erobern, um von dort zügig Richtung Westen zu marschieren.
Ukraine-Krieg: Die russische Armee zahlt einen hohen Preis
Der österreichische Militäranalyst Markus Reisner beschreibt die Lage so: Von den drei ukrainischen Verteidigungslinien im Raum Pokrowsk habe Russland die erste durchbrochen. „Man steht in der zweiten Linie, ist kurz vor dem Durchbruch und auf dem Weg nach Pokrowsk“, sagt Reisner. Die Stadt sei ein wichtiger Stützpunkt für die dritte Linie. Dahinter sei nur noch das offene Land. Wenn hier ein Vorstoß gelinge, „ist der operative Durchbruch in die Tiefe des Landes möglich, im schlimmsten Fall bis zum Dnepr“, warnt der Militärexperte.
Noch ist der Dnepr 100 Kilometer von der Front entfernt. Ein Durchbruch wäre ein schwerer Schlag für die Ukraine, strategisch und für die Moral von Soldaten und Bevölkerung. Dazu kämen, so berichtet Reisner, russische Angriffe mit etwa 1100 bis 1200 Gleitbomben in der Woche. Sie zielen auch auf die Zerstörung der Infrastruktur, vor allem der Strom- und Wärmeversorgung.
Allerdings: Für die militärischen Erfolge bezahlt die russische Armee einen hohen Preis. Sie soll allein im September und Oktober über 80.000 Soldaten verloren haben, was ein neuer Höchststand wäre, dazu fast 200 Panzer und 650 gepanzerte Fahrzeuge, schätzt das unabhängige US-Militärforschungsinstitut ISW. Im Oktober seien täglich 1345 Soldaten verwundet worden oder gefallen, bestätigt der britische Verteidigungsminister John Healey.
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Aber, betont der österreichische Oberst Reisner: Russland schickt eine immer höhere Zahl von Soldaten in den Krieg. Inzwischen sehen Experten Anzeichen, dass die personelle Unterstützung durch Nordkorea keine Einzelaktion bleibt. Analysten des US-Instituts ISW glauben, es sei jeden Monat mit bis zu 15.000 weiteren Soldaten aus Nordkorea zu rechnen, ähnliche Schätzungen lanciert der ukrainische Geheimdienst.
Für Militärbeobachter kommt die Entwicklung nicht überraschend. Der Kreml werde vermutlich auch seine brutalen Bombardierungen in der Ukraine noch verschärfen, um in Verhandlungen Konzessionen verlangen zu können, sagt die in Washington forschende Sicherheitsexpertin Constanze Stelzenmüller.
Putin macht Druck – auch auf Trump
Doch für Trump, der eine schnelle Friedensvermittlung angekündigt hatte, ist die Entwicklung heikel. Berichte, Trump habe mit Putin telefoniert und ihn dabei vor einer Eskalation gewarnt, wurden zwar am Montag vom Kreml als „vollkommen falsch“ dementiert; auch Trumps Sprecher wollte ein Telefonat nicht bestätigen.
Aber der künftige US-Präsident hat sicher kein Interesse zuzusehen, wie Putin jetzt die Lage zu seinen Gunsten verändert und sich in letzter Minute größere Gebiete der Ukraine unter den Nagel reißt. Trump hat zwar mehrmals verkündet, er werde den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden – noch bevor er überhaupt Präsident sei, werde er Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj dafür zusammenbringen. Es dürfte darauf hinauslaufen, dass die Ukraine zu einem Gebietsverzicht gezwungen würde.
Aber welche Gebiete und zu welchen Bedingungen? Der Chef des Brüsseler Nato-Militärausschusses, Rob Bauer, warnt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Interesse der USA sein kann, dass Wladimir Putin diesen Krieg als Gewinner beendet.“
Die Verteidigungsexpertin Jana Puglierin, Leiterin des Thinktanks European Council on Foreign Relations in Berlin, hält es für möglich, dass Trump Putin auch mit Drohungen an den Verhandlungstisch holt. Puglierin sagt: „Trump will alles – nur nicht als schwach dastehen.“ Es scheint, als stelle Putin den künftigen US-Präsidenten gerade auf die Probe.
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