Berlin. Militärexperte Masala erklärt, was Trumps Sieg für die Ukraine bedeutet und welche Ziele Putin wirklich aktuell verfolgt.
Der künftige US-Präsident Donald Trump will den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden. Militärexperte Carlo Masala hält das für Großmaultum, wie man es von Trump kennt. Aber der Machtwechsel im Weißen Haus wird gravierende Folgen haben – vermutlich auch für die Ukraine. Kommt es doch zu einem Diktatfrieden?
Der russische Präsident Wladimir Putin hat Donald Trump zum Wahlsieg in den USA gratuliert und Gespräche angeboten. Trump hatte vorher angekündigt, den Krieg gegen die Ukraine innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Was droht der Ukraine jetzt?
Carlo Masala: Das wissen wir nicht. Die Ankündigung, den Krieg in 24 Stunden zu beenden, ist das typische Trump-Großmaultum. Wir haben unterschiedliche Informationen aus Washington. Es gibt die Idee, den Russen anzubieten, dass sie auf den Territorien, auf denen sie stehen, bleiben können. Dann könnte eine 800 Meilen große demilitarisierte Zone geschaffen werden, die durch bewaffnete Kräfte gesichert wird – wobei die Amerikaner schon sagen, sie müssten von den Europäern gestellt werden. Das ist eine der Ideen, die in Washington kursieren. Auf der anderen Seite hat Putin gesagt, er wäre bereit, jedem Angebot zuzuhören, das von den Realitäten auf dem Boden in der Ukraine ausgeht. Wir schauen immer auf Trump und vergessen dabei, dass die Russen sehr deutliche Signale aussenden, dass sie eigentlich gar nicht verhandeln wollen.
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Ist der Sieg von Trump am Ende ein Sieg von Putin in der Ukraine? Kommt es zu einem Diktatfrieden?
Masala: Die Möglichkeit eines Diktatfriedens rückt immer näher. Doch man muss auch die Stimmen in Russland hören, die sagen, es geht um wesentlich mehr als um die Besetzung der Territorien im Donbass. Es geht weiter um die Denazifizierung und Demilitarisierung der Ukraine. Das heißt: Selenskyj und seine Regierung sollen von der Macht vertrieben werden, die Armee der Ukraine soll so klein gehalten werden, dass sie gar nicht mehr in der Lage ist, sich gegen Russland zu verteidigen. Das wird seit ein paar Tagen immer wieder stark betont – nicht nur von Außenminister Lawrow. Die Russen sehen sich auf der Gewinnerstraße. Und wir machen den Fehler und schauen nur auf Trump, reden viel über Waffenstillstände. Dabei hat Putin ganz andere Ziele im Auge.
Was würde passieren, wenn Trump die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellt. Könnte Europa das auffangen?
Masala: Die Europäer könnten das finanzielle Volumen auffangen, aber nicht bestimmte Waffenkategorien ersetzen, die nur von den USA geliefert werden. Es gibt sie gar nicht oder nicht in der Masse wie benötigt in Europa.
Auch der zweitwichtigste Verbündete der Ukraine, Deutschland, ist augenblicklich mit sich selbst beschäftigt. Es wird Neuwahlen geben, es entsteht ein Machtvakuum. Was bedeutet das für die Unterstützung der Ukraine?
Masala: Das bedeutet erstmal nicht dramatisch viel. CDU-Chef Friedrich Merz hat mit Selenskyj telefoniert, die Ukraine wäre bis 2026 finanziert. Die großen Finanzpakete sind durch. Das Problem ist: Der Ukraine fehlt Material. Die Bundesregierung müsste eine Initiative starten, um gepanzerte Fahrzeuge, Panzer, Artillerie und Luftverteidigung in die Ukraine zu liefern. Das kann auch eine rot-grüne Minderheitenregierung machen, weil sie die Unterstützung der CDU bekommen würde. In dieser Frage ist die deutsche Regierung nicht handlungsunfähig.
Carlo Masala
Er ist einer der bekanntesten Militärexperten in Deutschland. Masala (Jahrgang 1968) lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um den Konflikt in der Ukraine.
Russland hat massiv die Zerstörung der Energieversorgung in der Ukraine betrieben. Das Land steuert auf einen furchtbaren Winter zu. Dazu kommt jetzt die Sorge vor einem Diktatfrieden. Es gibt viele Experten, die mit einer neuen, sehr großen Flüchtlingswelle rechnen. Wie schätzen Sie das ein?
Masala: Ich teile die Einschätzung. Wie die Lage im Winter sein wird, ist noch nicht absehbar, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, ist sehr hoch. Wenn es einen russischen Diktatfrieden gibt, werden wir definitiv eine große, neue Flüchtlingswelle bekommen. Das werden zum einen Ukrainer aus den von Russland besetzen Territorien sein. Zum anderen muss man sehen: Wenn die Ukraine insgesamt keine wirtschaftliche Überlebensfähigkeit hat, werden die Menschen fliehen. Das ist doch klar.
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Ein Blick auf den anderen großen Krisenherd: Joe Biden hat versucht, den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu zu mäßigen und von Angriffen auf Atomanlagen und Ölleitungen abgeraten. Bekommt Netanjahu mit Trump jetzt freie Hand?
Masala: Netanjahu hatte gehofft, dass Trump gewinnt. Aus iranischer Perspektive ist Trump das größte Desaster. In seiner ersten Amtszeit hat Trump das Atomabkommen aufgekündigt und eine härtere Gangart gegenüber dem iranischen Regime an den Tag gelegt. Aber wir wissen einfach nicht, was es bedeutet für die Machtkämpfe innerhalb der iranischen Führung, wo eine Auseinandersetzung tobt zwischen Hardlinern und „moderateren Kräften“, wie man auf die israelischen Schläge reagieren soll. Wenn sich die Hardliner durchsetzen und Israel angegriffen wird, wird Trump eine härtere israelische Linie sicher unterstützen – anders als Biden, der darauf gedrängt hatte, dass bestimmte Ziele verschont bleiben.
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