Berlin. Greift der Iran den jüdischen Staat an, könnte es zum Flächenbrand kommen. Deutsche Politiker fordern, die Bundeswehr zu aktivieren.
Angesichts eines drohenden Angriffs des Irans und seiner Verbündeten auf Israel richtet sich der Blick nun zunehmend auf die westlichen Partner des jüdischen Staates. Während die USA ihre Militärpräsenz in der Region deutlich erhöhen, fordern hierzulande erste Politiker, Israel notfalls auch militärisch beizustehen und die Bundeswehr zu aktivieren.
Der Antisemitismusbeauftrage der Bundesregierung, Felix Klein, sagte am Sonntag dieser Redaktion: „Falls es zu einem Angriff des Iran auf Israel kommt und die israelische Regierung eine Bitte um militärische Unterstützung an Deutschland richtet, sollten wir uns dieser nicht verschließen.“ Klein ergänzte: „Da in diesem Fall der Angriff von einem staatlichen Akteur ausginge, wäre ein militärisches Eingreifen durch die Bundeswehr nach Artikel 51 der Uno-Charta eindeutig gerechtfertigt.“ Der genannte Artikel regelt das Selbstverteidigungsrecht von Staaten.
Ähnlich wie Klein äußerte sich der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter. Er dringt darauf, dass sich Deutschland einer von den USA geführten Schutzkoalition für Israel anschießt. „Angesichts der drohenden iranischen Attacke muss die Bundesregierung endlich aufwachen und Israel auch militärischen Beistand zur Abwehr anbieten“, sagte Kiesewetter dem „Spiegel“.
Er ergänzte: „Denkbar ist die Betankung von Kampfjets befreundeter Nationen, aber auch der Einsatz von eigenen Eurofightern der Bundeswehr, zum Beispiel zur Abwehr von iranischen Drohnen.“ Dabei gehe es ausschließlich um den Schutz der israelischen Bevölkerung. Die Bundesregierung solle nicht warten, bis sie von Israel um Hilfe gebeten wird, sondern diese aus eigenem Antrieb anbieten und im Bundestag dafür werben.
Historische Verantwortung: Israels Sicherheit ist für Deutschland Teil der Staatsräson
Die Frage nach einer möglichen militärischen Unterstützung Deutschlands für Israel stellt sich angesichts wiederkehrender Krisen im Nahen Osten immer wieder – zuletzt unmittelbar nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober des vergangenen Jahres, bei dem mehr als 1.200 Israelis ums Leben gekommen waren. Der jüdische Staat führt seitdem Krieg gegen die Hamas im Gaza-Streifen, in dem bislang rund 40.000 Palästinenser ihr Leben verloren haben sollen.
Eine rechtliche Verpflichtung für Deutschland, Israel im Kriegsfall militärisch beizustehen, gibt es nicht: Israel ist nicht Mitglied der Nato, es gibt auch kein bilaterales Beistandsabkommen. Allerdings gilt hierzulande spätestens seit der Rede der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) von 2008 in der Jerusalemer Knesset das Diktum, dass Deutschland aufgrund seiner historischen Verantwortung Israels Sicherheit als Teil der eigenen Staatsräson betrachtet. Die amtierende Bundesregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte das mehrfach.
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Pistorius schließt eine Beteiligung deutscher Solldaten derzeit aus
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schloss die Beteiligung deutscher Soldaten an einer Mission zum Schutz Israels zumindest für den Moment aus. Das sei für ihn „gerade völlig unvorstellbar“, sagte Pistorius am Wochenende am Rande eines Besuchs im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südkorea. „Also von daher stellt sich die Frage aktuell überhaupt nicht.“
Die Situation im Nahen Osten werde täglich gemeinsam mit dem Außenministerium und dem Kanzleramt bewertet, sagte Pistorius weiter. „Wir bereiten uns auf das vor, was auf uns zukommen könnte, wie etwa eine Evakuierung. Aber im Moment sind wir nur in der Phase der Vorbereitungen, nicht in der des Handelns.“
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Naher Osten: Die USA schicken weitere Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge
Der Iran droht mit Schlägen gegen Israel, nachdem zwei hochrangige Feinde des jüdischen Staates in der vergangenen Woche bei gezielten Anschlägen ums Leben gekommen waren. Bei einer Explosion in einem Gästehaus der iranischen Regierung in Teheran starb Hamas-Auslandschef Ismail Hanija.
Kurz zuvor war in der libanesischen Hauptstadt Beirut Hisbollah-Kommandant Fuad Schukr bei einem Luftangriff getötet worden. Dies reklamiert Israel für sich. Zu dem Anschlag in Teheran hingegen äußerte sich die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bislang nicht.
Israels wichtigster Verbündeter, die Vereinigten Staaten, erhöhen seit Tagen ihre Präsenz im Nahen Osten und im östlichen Mittelmeer, um dem jüdischen Staat im Ernstfall helfen zu können. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin befahl Ende vergangener Woche die Verlegung weiterer Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge.
Unter anderem wird die Kampfgruppe um den Flugzeugträger USS Abraham Lincoln in die Region gebracht. Derzeit befindet sich diese im Pazifik, in der Nähe von Hawaii. Bis sie in etwa zwei Wochen im Nahen Osten eintrifft, soll der Flugzeugträger USS Theodore Roosevelt die Stellung halten. Hinzu kommen zusätzliche Kreuzer und Zerstörer, die auch ballistische Raketen vom Himmel holen können. Die Rede ist auch von einem zusätzlichen Jagdgeschwader.
Schon im April kam es zu einem Angriff seitens des Irans
Im vergangenen April hatte der Iran Israel schon einmal angegriffen – als Vergeltung für einen Militärschlag auf das iranische Konsulat in Syriens Hauptstadt Damaskus, bei dem unter anderem zwei hochrangige iranische Militärs ums Leben gekommen waren. Der Angriff im April war allerdings eher überschaubar, es kamen Drohnen, Marschflugkörper und Raketen zum Einsatz.
Israel konnte diese abfangen, wobei ihm amerikanische, britische und französische Kräfte halfen. Auch das benachbarte Jordanien war dabei, zudem angeblich Saudi-Arabien, das den Iran als Rivalen in der Region betrachtet.
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