Washington. Joe Biden könne „den Kampf gegen die Zeit nicht gewinnen“. Clooney hält einen Rückzug für unausweichlich. Entscheidet es sich beim Nato-Gipfel?
Vor wenigen Wochen noch war Hollywood-Superstar George Clooney ganz vorn (neben Barbra Streisand und Julia Roberts) mit dabei, als es galt, bei einer Spenden-Gala in Los Angeles fast 30 Millionen Dollar für Joe Biden einzutreiben. Perdu.
Der den Demokraten traditionell fest verbundene Schauspieler (Ocean Eleven etc.) hat auf spektakuläre Weise seine Unterstützung für den amtierenden US-Präsidenten zurückgezogen und damit ein bereits geschlossen geglaubtes Fass wieder aufgemacht.
Clooney: Biden kann „den Kampf gegen die Zeit nicht gewinnen“
In einem von vielen Medien umgehend aufgegriffenen Kommentar in der „New York Times“ erklärte der Oscar-Preisträger, er „liebe“ Joe Biden, der 81-Jährige könne aber altersbedingt das Rennen gegen den republikanischen Herausforderer Donald Trump am 5. November nicht erfolgreich bestehen.
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Biden, so der 63-Jährige, könne „den Kampf gegen die Zeit“ nicht gewinnen. Sprich: das Älterwerden. Weil bei einer Niederlage gegen Trump auch der Verlust beider Kammern des Parlaments für die Demokraten drohe, müsse schnellstens eine Alternative gefunden werden, die dann auf dem Parteitag der Demokraten Mitte August in Chicago abgesegnet werden könnte.
Clooney beruft sich bei seinem schlagzeilenträchtigen Zwischenruf nicht nur auf „viele private Gespräche mit Senatoren, Kongressmitgliedern und Gouverneuren“, die ähnlich dächten.
Er sagte mit Verweis auf die jüngste Spenden-Gala, es sei „niederschmetternd“, aber der Joe Biden, den er vor drei Wochen erlebt habe, sei nicht der Joe „eine verdammt große Sache“ Biden von 2010 und auch nicht der von 2020. „Er war der gleiche Mann, den wir alle bei der TV-Debatte gesehen haben.“ Hinweis zum Kontext. Zu besagter Gala in Kalifornien kam Biden, sichtbar erschöpft, direkt vom G 7-Gipfel in Italien eingeflogen.
Clooney: „Wir werden im November nicht mit diesem Präsidenten gewinnen”
Clooneys Intervention („Wir werden im November nicht mit diesem Präsidenten gewinnen“) wurde flankiert von einem anderen Film-Promi. Rob Reiner, Regisseur und bisher hundertprozentiger Biden-Fan, erklärte: „Wir benötigen einen Jüngeren. Joe Biden muss zurücktreten.“
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Dies könnten auch, was politisch entschieden mehr Gewicht hätte, die Auffassung der früheren demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sein. Die 84-Jährige, in der vergangenen Woche noch unmissverständlich an der Seite Bidens, der nach einem missratenen TV-Duell mit Donald Trump vor zwei Wochen de facto um sein politisches Überleben kämpft, machte am Mittwochmorgen einen bemerkenswerten Rückzieher. Im US-Fernsehen sagte sie, Biden allein müsse entscheiden, ob er antritt. Sie ermutige ihn, diese Entscheidung schnell zu treffen, „denn die Zeit wird knapp“.
Der Frage, ob Biden nach wie vor der beste Kandidat der Demokraten gegen Trump sie, wich sie aus und verwies auf die für Donnerstagnachmittag angesetzte Presse-Konferenz Bidens beim Gipfel-Treffen zum 75-jährigen Bestehen der Nato in Washington.
Dort stellt sich der ohne Teleprompter oder andere Hilfsmittel zuweilen konfus und mental gebrechlich wirkende Staats- und Regierungschef erstmals seit Monaten live den Fragen der internationalen Medien; die Zweifel an seiner Amtsfähigkeit werden hundertprozentig zur Sprache kommen.
Pelosis Hinweis, diesen Auftritt abzuwarten, wurde in politischen Kreisen in Washington so interpretiert, dass dies für Biden die „letzte Chance“ sei, zeitnah unter Beweis zu stellen, dass er geistig den Anforderungen an das Amt und eine zweite Amtszeit gewachsen ist.
Pelosis fein ziselierter Vorbehalt löste Erstaunen aus, weil Biden zu Wochenbeginn die parteiinterne Debatte über seinen Verbleib als Spitzenkandidat für beendet erklärt und in einem Brief an seine Partei im Kongress unmissverständlich klargemacht hatte, dass er am 5. November antreten und gewinnen will.
Demokratischer Senator: Mit Biden gewinnt Trump vielleicht sogar „erdrutschartig“
Was als Versuch gewertet wurde, das seit Tagen lodernde Feuer in der eigenen Partei auszutreten, ging jedoch nach hinten los. Mit dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Michael Bennet wandte sich zum erstem Mal ein amtierender Senator gegen den eigenen Präsidenten. „Ich glaube, dass Donald Trump auf dem besten Weg ist, diese Wahl zu gewinnen, vielleicht sogar erdrutschartig, und dass dabei auch das Repräsentantenhaus und der Senat verloren gehen“, sagte der Politiker aus Colorado. Ohne Biden explizit zur Aufgabe aufzufordern, erklärte er, der 81-Jährige sollte das in Betracht ziehen.
Dahinter stehen zunehmend unerfreuliche Zahlen. In Umfragen wird der landesweite Vorsprung Trumps vier Monate vor der Wahl größer - bis zu sechs Prozentpunkte. Noch wichtiger: In den meisten Swing States (Pennsylvania, Michigan, Arizona, Nevada, Wisconsin, Georgia und North Carolina), die mutmaßlich wahlentscheidend sein werden, zieht Trump ebenfalls davon. Zum ersten Mal seit 20 Jahren liegt mit Trump der Herausforderer eines amtierenden Präsidenten zu diesem Zeitpunkt klar vorn, stellte der unabhängige „Cook Report“ fest.