Teheran. Der mächtige Wächterrat im Iran hat zwar Unstimmigkeiten bei der Wahl festgestellt. Das ändere jedoch nichts am Wahlausgang. Zuvor hatte auch eine britische Studie am offiziellen Wahlergebnis im Iran massive Zweifel erhoben.

Der iranische Wächterrat hat Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentenwahl vom 12. Juni eingeräumt. In 50 Wahlbezirken seien mehr Stimmen abgegeben worden als es Stimmberechtigte gegeben habe, erklärte Ratssprecher Abbas Ali am Montag laut einer Meldung auf der Web-Seite des staatlichen Fernsehens. Dies ändere jedoch nichts am Wahlsieg von Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad.

Es war unwahrscheinlich, dass dieses Ergebnis die Opposition besänftigen wird, der der Staatsmacht Wahlbetrug vorwirft. Der frühere Präsident Mohammed Chatami sagte, es sei keine Lösung, «Beschwerden an Gremien zu übergeben, die die Rechte der Menschen beschützen sollen, aber selbst Ziel von Kritik sind». Der geistliche Führer des Irans, Ayatollah Ali Chamenei, hatte am Freitag die Opposition aufgefordert, den offiziell erklärten Wahlsieg Ahmadinedschads zu respektieren und die Proteste zu beenden.

Auch eine britische Analyse der offiziellen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl im Iran hat «starke Unglaubwürdigkeiten» zutage gebracht. Die vom iranischen Innenministerium herausgegebenen Daten setzten einen radikalen Wandel in den Wählerstrukturen voraus, erklärte die britische Denkfabrik Chatham House am Sonntag. Nur ein «sehr unwahrscheinlicher» Wechsel von ehemals reformorientierten Wählern zu Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad könnte das gemeldete Wahlergebnis erklären.

Bei der Wahl hatte Mahmud Ahmadinedschad nach offiziellen Angaben fast 63 Prozent der Stimmen erhalten, der Oppositionskandidat Hossein Mussawi kam auf knapp 34 Prozent.

Über 450 Festnahmen am Samstag

Der Wahlausgang hatte zu Protesten und schweren Ausschreitungen geführt. Bei den bislang schwersten Unruhen seit Beginn der Oppositionsproteste sind nach offiziellen Angaben am Samstagabend bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in Teheran 457 Menschen festgenommen worden. Das berichtete das iranische Staatsradio am Montag.

Die Nachrichtenagentur FARS berichtete derweil, bei den Unruhen seien 40 Polizisten verletzt und 34 Regierungsgebäude beschädigt worden. Eine unabhängige Berichterstattung über die Demonstrationen gegen den Wahlsieg von Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist nicht möglich. So berichtete das staatliche Fernsehen am Sonntag, dass bislang mindestens zehn Menschen getötet worden. 100 weitere Menschen wurden bei den Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften verletzt, so das staatliche Fernsehen am Sonntag.

Starke Polizei-Präsenz auf den Straßen

450 Festnahmen gab es am Samstag im Iran (Foto: ap)
450 Festnahmen gab es am Samstag im Iran (Foto: ap) © AP

Am Sonntagnachmittag bezogen erneut Polizisten und Angehörige der regierungstreuen Bassidsch-Miliz Stellungen auf den großen Straßen und Plätzen der iranischen Hauptstadt, um Demonstranten abzuschrecken. Ob nach der Gewalt vom Vortag auch am Sonntag wieder Regierungsgegner wagen würden, der Staatsmacht zu trotzen, war zunächst nicht feststellbar. Die iranische Führung hat die Berichterstattung unabhängiger Medien stark eingeschränkt.

Regierung droht Mussawi mit Festnahme

Laut einem Bericht des staatlichen Fernsehen wurden am Samstagabend die Tochter des früheren Präsidenten Haschemi Rafsandschani, Faeseh Haschemi, sowie vier weitere Familienmitglieder festgenommen. Sie hätten an verbotenen Demonstrationen teilgenommen, hieß es. Die Vier wurden laut einem Bericht des staatlichen Fernsehens vom Sonntagabend später wieder freigelassen, Faeseh Haschemi befand sich aber weiter in Haft. Die Regierung drohte Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi mit Verhaftung, sollten Demonstrationen stattfinden. Der Sekretär des Sicherheitsrats, Abbas Mohtadsch, erklärte, Mussawi werde «für die Folgen illegaler Versammlungen» verantwortlich gemacht. Mussawi denkt aber offenbar nicht daran aufzugeben und forderte erneut die Annullierung der Präsidentenwahl. Auf seiner Webseite wurde am Samstagabend ein entsprechender Brief an die obersten Wahlbehörden veröffentlicht.

Im Iran sind seit Beginn der Proteste gegen die umstrittene Präsidentenwahl mindestens zwei dutzend Journalisten und Blogger festgenommen worden. Unter ihnen sei der Leiter des iranischen Journalistenverbands, Ali Masrui, teilte die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) am Sonntag in Paris mit. Die Gruppe legte eine Liste mit den Namen von 23 Festgenommenen vor. Auch ein Reporter des Magazins «Newsweek» wurde am Sonntag festgenommen. Nach Angaben von «Newsweek» handelt es sich um den Korrespondenten Maziar Bahari, einen kanadischen Staatsbürger.

Der Korrespondent des britischen Senders BBC, Jon Leyne, wurde aufgefordert, den Iran binnen 24 Stunden zu verlassen. Ihm werfen die Behörden die «Verbreitung erfundener Meldungen» vor. Begründungen für die Festnahmen der Journalisten wurden in den meisten Fällen nicht genannt.

Scharfe Kritik von Frankreichs Präsident Sarkozy

Der franzöische Ministerpräsident Nicolas Sarkozy hat das Verhalten der iranischen Führung gegenüber den Demonstranten als
Der franzöische Ministerpräsident Nicolas Sarkozy hat das Verhalten der iranischen Führung gegenüber den Demonstranten als "unentschuldbar" bezeichnet. (Foto: afp) © AFP

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat das Verhalten der iranischen Führung gegenüber den Demonstranten als «unentschuldbar» bezeichnet. Was derzeit im Iran passiere, sei äußerst beunruhigend, sagte Sarkozy am Sonntag in einem auf der Internetseite des Elyséepalastes veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Qatar News. Die Haltung Teheran angesichts des «legitimen Interesses eines großen Teils der iranischen Bevölkerung an der Wahrheit» sei unentschuldbar. Die iranische Führung verweigere den Menschen elementare demokratische Rechte. Das Volk habe ein Recht auf «Transparenz und die Wahrheit», sagte Sarkozy und forderte ein Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten.

Angesichts der unsicheren Lage nach der Parlamentswahl im Iran bemüht sich US-Präsident Barack Obama weiter um Zurückhaltung. Am Sonntag gab er keine weitere öffentliche Stellungnahme zu der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen am Vortag ab. Seine innenpolitischen Gegner warfen ihm Tatenlosigkeit und Ängstlichkeit vor.

US-Präsident Obama gerät innenpolitisch unter Druck

Präsident Barack Obama gerät innenpolitisch unter Druck. (Foto: ap)
Präsident Barack Obama gerät innenpolitisch unter Druck. (Foto: ap) © AP

Man dürfe nicht denjenigen Kräften im Iran in die Hände spielen, die den Westen zum Sündenbock für die entstandene Lage machen wollten, sagte Obama in einem CBS-Interview, das am Montag ausgestrahlt werden sollte. So sprach sich Obama bislang zwar gegen Menschenrechtsverletzungen im Iran aus, bemühte sich aber zugleich, alle außenpolitischen Optionen in dem Konflikt zu wahren.

Die Republikanische Partei aber wittert in der Iran-Politik ihre Chance, Obama unter Druck zu setzen. «Der Präsident der Vereinigen Staaten sollte die freie Welt führen, nicht ihr folgen», sagte am Sonntag Senator Lindsey Graham. «Er ist furchtsamer und passiver, als ich mir wünschen würde.» So haben europäische Staats- und Regierungschefs wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy inzwischen schärfere Positionen gegenüber der iranischen Führung eingenommen als Obama und etwa eine Neuauszählung der Stimmen bei der Wahl vom 12. Juni verlangt oder das Verhalten der Regierung heftiger kritisiert.

Der republikanische Senator Chuck Grassley warnte, dass eine weitere Zurückhaltung im Weißen Haus die Entschlossenheit der iranischen Oppositionsbewegung schwächen könnte: «Wenn die Leute denken, dass wir uns nicht wirklich darum kümmern, werden sie sich fragen: Glauben wir wirklich an unsere Prinzipien?'»

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert eine Neuauszählung der Stimmen. Das spanische Außenministerium schloss sich am Abend der Kritik der europäischen Partner an. Die Vorwürfe des Irans gegen den Westen seien «absolut ungerechtfertigt». Dieses Verhalten trage nicht «zu einer Lösung der politischen Krise im Iran bei», hieß es in einer in Madrid veröffentlichten Erklärung.

Netanjahu zollt Demonstranten Anerkennung

Der israelische Präsident Benjamin Netanyahu hat den Demonstranten im Iran Anerkennung gezollt. (Foto: afp)
Der israelische Präsident Benjamin Netanyahu hat den Demonstranten im Iran Anerkennung gezollt. (Foto: afp) © AFP

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Demonstranten gegen die offiziellen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl im Iran Anerkennung gezollt. Derzeit zeige sich «ein mächtiges Verlangen nach Freiheit in einem Teil des iranischen Volkes», sagte Netanjahu der «Bild"-Zeitung (Montagausgabe). Ein Machtwechsel im Iran könne sich positiv auf die Beziehungen zwischen Israel und dem Iran auswirken: «Unter einem anderen Regime könnten die friedlichen Beziehungen, die in der Vergangenheit vorherrschten, wiederhergestellt werden», sagte Netanjahu. Es geben keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen den Völkern des Iran und Israels.

Das jetzige Regime in Teheran sei «ein theokratischer, totalitärer und brutaler Staat, der dem iranischen Volk keine freie Wahl lässt», kritisierte der israelische Regierungschef. Mit der Entwicklung im Iran sei den Machthabern in Teheran «die Maske vom Gesicht gerissen worden». Das derzeitig Regime sei nicht nur eine «große Bedrohung» für Israel und die gemäßigten arabischen Länder, «sondern auch für die Sicherheit Europas und den Frieden in der Welt».

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