Berlin/Teheran. Die Bundesregierung sei "irritiert" über die Beschuldigungen aus dem Iran. Die Äußerungen der Bundesregierung seien keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Staates. Die Revolutionsgarden drohen mit der Zerschlagung weiterer Proteste.

Die Bundesregierung hat Erklärungen der Führung in Teheran widersprochen, sie mische sich in innere Angelegenheiten des Irans ein. Man sei «irritiert» über diese Beschuldigung, erklärte der stellvertretende Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, am Montag in Berlin. Der iranische Botschafter in Berlin sei zu einem Gespräch über diese Äußerungen ins Auswärtige Amt geladen worden, sagte Peschke.

Der Sprecher wies darauf hin, dass die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens, denen von iranischer Seite ebenfalls solche Vorwürfe gemacht worden waren, ebenso verfahren würden. Er betonte allerdings, es handele sich nicht um eine förmliche Einbestellung des Botschafters. Ihm werde dennoch «ernsthaft und in der gebotenen Deutlichkeit» die deutsche Position dargelegt.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte, die Äußerungen der Bundesregierung bedeuteten keine Einmischung in innere Angelegenheiten Irans. Vielmehr habe das Land völkerrechtlich bindende Vereinbarungen unterzeichnet, in denen es sich verpflichte, Menschenrechte, Bankenfreiheit, Informationsfreiheit und das Recht auf allgemeine Wahlen zu achten und zu gewährleisten.

Der iranische Außenminister Manutschehr Mottaki hatte zuvor Großbritannien, Frankreich und Deutschland kritisiert, weil sie Unregelmäßigkeiten bei der Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad kritisiert hatten.

Revolutionsgarden drohen mit Zerschlagung

Die Revolutionsgarden im Iran, die mächtigsten Streitkräfte des Landes, haben am Montag mit der Zerschlagung möglicher weiterer Proteste gedroht. Die Demonstranten sollten sich auf eine Konfrontation mit den Sicherheitskräften einstellen, falls sie erneut auf die Straße gingen, erklärte die Elitetruppe am Montag auf ihrer Webseite.

Die Opposition solle «die Sabotage und die aufrührerischen Aktivitäten» einstellen. Der Widerstand sei eine «Verschwörung» gegen den Iran. Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi hat am Sonntag angekündigt, die Proteste gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl vom 12. Juni weiter aufrecht zu erhalten. Demnach war Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad zum klaren Sieger erklärt worden.

Machtkampf innerhalb der herrschenden Geistlichkeit

Angehörige des iranischen Ex-Präsidenten Ayatollah Haschemi Rafsandschani wurden vorübergehend festgenommen. (Foto: ap)
Angehörige des iranischen Ex-Präsidenten Ayatollah Haschemi Rafsandschani wurden vorübergehend festgenommen. (Foto: ap) © AP

Die vorübergehenden Festnahme von Angehörigen des iranischen Ex-Präsidenten Ayatollah Haschemi Rafsandschani hat einen Machtkampf innerhalb der herrschenden Geistlichkeit offen zutage treten lassen. Die Aktion gilt als deutliche Warnung an Rafsandschani, einen der mächtigsten Männer im Lande, der hinter den Kulissen eine Schlüsselrolle spielen und sich auf die Seite der Opposition schlagen könnte.

Seine älteste Tochter Faeseh und vier weitere Angehörige waren nach Angaben des Staatsfernsehens wegen Teilnahme an nicht genehmigten Protestversammlungen festgenommen worden - zu ihrem eigenen Schutz, wie es hieß. Die 46-jährige Reformpolitikerin unterstützt offen den nach offiziellen Angaben unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mussawi und hatte vorige Woche auf einer Kundgebung gesprochen.

"Viele Meinungsverschiedenheiten"

Rafsandschani selbst, der aus seiner Abneigung gegen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad keinen Hehl macht, hat sich nach der umstrittenen Wahl noch nicht öffentlich geäußert. Beim Freitagsgebet, bei dem der geistliche Führer Ayatollah Ali Chamenei sich hinter Ahmadinedschad stellte und die Demonstranten warnte, glänzte er durch Abwesenheit. Chamenei würdigte seine Rolle bei der Islamischen Revolution und als Politiker, sprach aber auch von «vielen Meinungsverschiedenheiten» mit Rafsandschani: «Natürlich sind die Vorstellungen des Präsidenten den meinen näher.»

Was sich Rafsandschani vorstellt - und wo genau er sich aufhält - ist unklar. Die Opposition zu unterstützen, hieße den offenen Konflikt mit den mächtigsten Männern im Gottesstaat zu suchen. Die kurzzeitige Festnahme seiner Angehörigen sei «eine deutliche Botschaft, wo ein direkter Konflikt mit dem Regime hinführen kann», erklärte Michael Wahid Hanna, Iran-Experte der New Yorker Denkfabrik Century Foundation. «Das war eine Warnung, was auf dem Spiel steht und was der Preis ist, wenn Rafsandschani nicht still halten will.»

Freitagspredigt deutliche Niederlage

Der 75-Jährige, einst ein enger Gefolgsmann von Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini, war zwischen 1989 und 1997 Präsident. Bei einem dritten Anlauf 2005 unterlag er in einer Stichwahl gegen Ahmadinedschad. Heute leitet er die Expertenversammlung, ein Gremium aus 86 Geistlichen, das die Arbeit Chameneis zu kontrollieren und gegebenenfalls einen Nachfolger für den geistlichen Führer zu bestimmen hat. Außerdem sitzt er dem Schlichtungsrat vor, der in Streitfällen zwischen dem Parlament und dem als eine Art Verfassungshüter dienenden Wächterrat vermittelt.

Ahmadinedschad hat ihn und Mitglieder seiner Familie öffentlich der Korruption beschuldigt. Dass sich Chamenei am Freitag so deutlich hinter den Präsidenten stellte, könnte nach Ansicht von Beobachtern ein Anzeichen dafür sein, dass Rafsandschanis Einfluss schwindet. «Das kann als deutliche Niederlage für Rafsandschani und den politischen Kurs betrachtet werden, für den er eintritt», urteilte Frederic Tellier von der International Crisis Group in Brüssel.

"Sohn der Revolution"

Als Vorsitzender der Expertenversammlung habe Rafsandschani gegenüber Chamenei und Ahmadinedschad immer noch etwas in der Hand, schätzte Iran-Experte Aliresa Nader von der Rand Corporation ein. Allerdings habe Chamenei einen Brief ignoriert, in dem Rafsandschani ihn ersucht habe, Ahmadinedschad zur Zurückhaltung aufzufordern. Das sei «von vielen Iranern als Rüffel für Rafsandschani und seine Rolle im politischen System aufgefasst worden». Sein Einfluss könne daher erheblich abgenommen haben.

«Rafsandschani ist ein Sohn der Revolution», sagte Tellier. «Doch seine eigene Zukunft hängt davon ab, wie weit der religiöse Führer Ahmadinedschad mit seinen Angriffen auf Rafsandschani und dessen Familie zu gehen erlaubt.»