Düsseldorf. Bei der Bildung einer in NRW ganz neuen Regierungskoalition wird es vor allem auf sieben Akteure auf beiden Seiten ankommen
Die Schwarzen parkten ihre Dienstlimousinen in der Seitenstraße, die Grünen kamen mit der Straßenbahn. Vorhang auf für das erste Abtasten zwischen CDU und Grünen nach der Landtagswahl am Mittwochnachmittag in den Räumen des Westdeutschen Handwerkskammertags in Düsseldorf. Nach zwei Stunden endete das „gute Gespräch in einem guten Geist“, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bilanzierte. Ob es etwas wird mit der ersten schwarz-grünen Koalition in NRW, liegt vor allem an diesen Personen:
Die beiden an der Spitze:
Hendrik Wüst (46), vor einem halben Jahr gegen parteiinterne Widerstände zum Nachfolger des unglücklichen Armin Laschet aufgestiegen, ist seit Sonntag um 18.01 Uhr unumstrittene Nummer eins der NRW-CDU. Als ehemaliger Wirtschaftsflügel-Mann aus dem schwarzen Münsterland gehörte er nie zu den schwarz-grünen Visionären, gilt jedoch als smart und inhaltlich flexibel. Er weiß: Wenn es mit den Grünen in NRW klappt, steht ihm womöglich die Kanzlerkandidatur der Union offen.
Mona Neubaur (44) wäre mit Wüst Chefarchitektin der schwarz-grünen Koalition. Spitzname: „Queen Green“. Vorteil: Mutter des Wahlsieges. Nachteil: keine Parlamentserfahrung. Neubaur könnte Vize-Ministerpräsidentin werden und Ministerin für Wirtschaft und Klimaschutz nach dem Vorbild von Robert Habeck. Berührungsängste mit der CDU hat sie nicht. Sie muss aber die vielen Grünen überzeugen, für die die CDU ein rotes Tuch ist. Das geht, wenn sie einen Vertrag aushandelt, der mindestens so grün ist wie schwarz.
Der rauflustige CDU-Fraktionschef und der gewitzte Grünen-Parteichef
Bodo Löttgen (63), rauflustiger CDU-Landtagsfraktionschef, wird aufpassen, dass sich seine Partei nicht zu billig an die Grünen verkauft. Der ehemalige Generalsekretär und Laschet-Vertraute wollte Wüst im vergangenen Jahr verhindern, wurde danach aber zu dessen Berater. Der ehemalige Personenschützer gilt als harter Verhandler und hat das Ohr an der Basis. Wenn er mit der Grünen-Fraktion menschlich so gut klarkäme wie mit der FDP, wäre das für die Koalition die halbe Miete.
Felix Banaszak (32), Bundestagsabgeordneter, weiß, wie man einen Koalitionsvertrag schreibt: Für die „Ampel“ im Bund hat er in der Arbeitsgruppe Bildung mit verhandelt. Er teilt sich den Vorsitz der Landespartei mit Mona Neubaur. Seit der junge Duisburger 2018 Co-Vorsitzender der Grünen in NRW wurde, geht es mit der Partei in Umfragen und bei Wahlen bergauf. Er ist angstfrei und macht sein Wort. Banaszak gehört zu jenen Grünen, die neben dem „Klassiker“ Klima- und Umweltschutz nach wie vor die soziale Gerechtigkeit hochhalten.
Die harte Verhandlerin und die respektierte Fachfrau für innere Sicherheit
Ina Scharrenbach (45) ist als CDU-Heimatministerin seit der „Mallorca-Affäre“ während des Flutsommers 2021 politisch angeschlagen. Als Chefin der Frauen-Union und Nummer zwei der NRW-Liste kann Wüst auf sie aber nicht verzichten. Scharrenbach wird keine besondere Nähe zu den Grünen nachgesagt, doch sie gilt als Aktenfresserin und genießt Rückhalt bei den Kommunalpolitikern. Wenn die CDU über den Koalitionstisch gezogen werden sollte, merkt es Scharrenbach garantiert als Erste.
Verena Schäffer (35) gehört zu den stärksten Akteuren der Grünen in NRW. Die Wittenerin ist schon seit 2010 im Landtag und hat sich im für Grüne eher exotischen Feld der inneren Sicherheit Respekt erkämpft. Innenminister Herbert Reul (CDU) und Polizeigewerkschafter nehmen die Fraktionschefin der Grünen im Landtag nicht nur ernst, sondern sehen sie auf Augenhöhe. Schäffer wäre auch für die Spitzenkandidatur der Grünen in Frage gekommen. Sie könnte weiter die Fraktion führen oder ins Kabinett wechseln.
Zwei, die für Vielfalt stehen
Serap Güler (41), ehemalige Integrationsstaatssekretärin und Laschet-Vertraute, hatte die Landespolitik eigentlich schon Richtung Bundestag verlassen. Die in Marl aufgewachsene und in Köln lebende Politikerin mit türkischen Wurzeln ist mit Grünen-Bundesminister Cem Özdemir befreundet und der lebende Beweis, dass die CDU doch nicht nur aus mittelalten weißen Männern vom Land besteht. Güler könnte als schwarz-grüne Brückenbauerin atmosphärisch wertvoll werden.
Josefine Paul (40) aus Münster führt seit 2020 mit Schäffer die Grünen-Landtagsfraktion. „Raue Schale, fairer Kern“, kann man über die Frau, die in Helmstedt aufwuchs, sagen. Sie streitet geradeaus und mit offenem Visier für die Rechte von Frauen, Schwulen, Lesben, Zugewanderten und Opfern von Rassismus. Die Liebe zum Fußball zieht sich durch ihr Leben. Motto: „Nach dem Abpfiff ist der Gegner kein Gegner mehr.“ Kein schlechter Grundsatz für Gespräche mit der CDU. Paul, die mit Sachsens Justizministerin Katja Meier liiert ist, könnte Familienministerin werden.
Die Strippenzieher
Nathanael Liminski (36) ist Staatskanzleichef und galt als „Mastermind“ der CDU hinter Laschet. Auch im System Wüst laufen weiter viele Fäden bei ihm zusammen. Der Stratege Liminski hat schon den schwarz-gelben Koalitionsvertrag 2017 maßgeblich ausverhandelt und weiß, wie man Kompromisse in Spiegelstriche und später in Gesetze fasst. Der konservative Katholik genießt wegen seiner Expertise und tadellosen Umgangsformen auch bei den Grünen Respekt.
Raoul Roßbach (35) aus Herne gehört zu jenen, die nicht im Rampenlicht stehen, die aber als Organisatoren im Hintergrund unverzichtbar sind. Er wirkt wie ein Student, tatsächlich war er Leiter eines Wahlkampfes, der den Grünen in NRW das historisch beste Ergebnis bescherte. Er organisiert Parteitage und hat Manager-Qualitäten. Sein Job als Politischer Landesgeschäftsführer ist vergleichbar mit dem eines Partei-Generalsekretärs. Roßbach ist der grüne Gegenentwurf zu Liminski.
Der "harte Hund" und der freundliche Sieger aus Köln
Herbert Reul (69) ist als „harter Hund“ im Innenministerium Star der CDU-Basis und Hüter des schwarzen Markenkerns. Spekulationen, der gelernte Studienrat aus Leichlingen könnte in der nächsten Regierung besser das Problemressort Schule auf Vordermann bringen, ließ Reul gleich austreten. Er will Innenminister bleiben - und sich seinen „Null Toleranz“-Kurs möglichst wenig von den Grünen verwässern lassen.
Arndt Klocke (51) aus Köln, Fraktionsvize, ist Routinier der Grünen im Landtag und hat sein politisches Meisterstück abgeliefert. In Ehrenfeld, Nippes, Chorweiler holte er das Direktmandat mit mehr als 40 Prozent der Stimmen. Weit hinter ihm im Wahlkreis: Liminski. Klocke wird parteiübergreifend wegen seiner freundlichen Art geschätzt. In der Sache streitet er jedoch hart für Radwege und einen modernen, bezahlbaren Nahverkehr. Immer neue Umgehungsstraßen sieht er skeptisch. Liiert ist Klocke mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Sven Lehmann.
Soziales Gewissen trifft auf Wirtschaftskompetenz
Karl-Josef Laumann (64), soziales Gewissen der CDU und Original aus dem Tecklenburger Land, wird auch in einer schwarz-grünen Koalition Sozialminister bleiben. Der Maschinenschlosser vom Land fühlt sich auf einem ordentlichen Schützenfest zwar wohler als in der hippen und queeren Welt der Großstadt-Grünen. Aber Laumanns Erfahrung und Sachkunde werden auch die neuen Regierungspartner schätzen lernen – selbst wenn er mit dem Gendersternchen auf Kriegsfuß stehen sollte.
Oliver Krischer (52), Bundestagsabgeordneter aus Düren, hat das Vertrauen von Mona Neubaur und wäre ein perfekter grüner „Brückenbauer“ zwischen Düsseldorf und Berlin. Als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium hat er den direkten Draht zu Robert Habeck und weiß, wie ein Wirtschafts- und Klimaschutz-Ressort zugeschnitten werden muss. Krischer ist Experte für die Themen dieser Zeit: Wirtschaft, Energie und Umwelt. Dass er als Minister nach NRW wechselt, gilt aber als unwahrscheinlich.