Düsseldorf. Die muslimische CDU-Politikerin Güler gehört zum engsten Kreis des Kanzlerkandidaten. Sie gilt als gesetzt in seinem Wahlkampfteam.
Wenn Serap Güler nicht einen Hang zu westfälischer Pünktlichkeit hätte, würde sie heute womöglich im Team von Annalena Baerbock kämpfen. Die nordrhein-westfälische Staatssekretärin für Integration stand im Jahr 2006 kurz vor der Magisterprüfung, als sie von einer Vortragsveranstaltung mit Cem Özdemir an der Universität Köln hörte. Für Migrantenkinder ihrer Generation war der Grünen-Politiker damals ein leuchtendes Vorbild, weil er es als „anatolischer Schwabe“ bis in die Spitze der Bundespolitik geschafft hatte.
Güler kam etwas zu früh in Köln an. Ein gewisser Armin Laschet von der CDU hielt als neuer NRW-Integrationsminister noch ein Grußwort. Unvermittelt wurde die Studentin vom Kameramann eines türkischen TV-Senders gebeten, doch ihre hervorragenden Deutschkenntnisse einzusetzen, um dem Minister später ein paar Fragen zu stellen. Aus der Zufallsbegegnung entstand eine enge politische Beziehung.
Serap Güler gehört zu Laschets engsten Vertrauten
Serap Güler gehört seit Jahren zu Laschets engstem Kreis aus Vertrauten. Wenn der Kanzlerkandidat der Union demnächst sein Wahlkampf-Team präsentiert, gilt die 40-jährige Expertin für die Einwanderungsgesellschaft als gesetzt. Ihr wird der Posten als Staatsministerin im Kanzleramt zugetraut. Es wäre der vorläufige Höhepunkt einer ungewöhnlichen CDU-Karriere.
Güler wuchs als Tochter anatolischer Einwanderer im nördlichen Ruhrgebiet auf. Ihr kürzlich verstorbener Vater schuftete als Bergmann auf der Zeche „Auguste Victoria“ in Marl, die Mutter ging putzen. Weil es die deutschen Nachbarn in den seinerzeit noch intakten Arbeitersiedlungen des Reviers gut mit der jungen Serap meinten, lernte sie schnell Deutsch. Sie übersetzte für die Eltern bei Ärzten und Ämtern, schaffte das Abitur, absolvierte eine Ausbildung im Hotel und studierte in Essen Germanistik und Kommunikationswissenschaften.
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Laschet machte aus ihr eine Politikerin. Güler fing als Referentin für türkische Medien bei ihm im Integrationsministerium an. 2010 wurde sie deutsche Staatsbürgerin, 2012 Landtagsabgeordnete und sofort Mitglied des CDU-Bundesvorstands. Als Laschet 2017 Ministerpräsident wurde, ernannte er Güler zur Staatssekretärin für Integration.
Als bekennende Muslima in einer C-Partei schlug ihr lange Misstrauen entgegen. Mancher reduzierte sie auf ihr Äußeres. Güler wird in Teilen der CDU bis heute dafür verantwortlich gemacht, dass Laschet lange Zeit den Spottnamen „Türken-Armin“ trug und als „Experte für Ramadan, Zuckerfest und die fünf Säulen des Islam“ abseits des Markenkerns verortet wurde. Vor 15 Jahren schrieb sie ihm für einen Auftritt auf einem Kulturfest die türkischen Worte „Evet yapabiliriz“ ins Redemanuskript: „Ja, wir können“. Ein orientalischer Obama. Die Menge war begeistert, die Traditionsbataillone der Union weniger.
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Güler: Seilschaften aus der Politik fehlen ihr
Laschet hat sich über Güler gezielt eine wachsende Gesellschaftsschicht erschlossen, die man mit konservativen Leitkultur-Debatten nicht erreicht. Er empfindet tiefen Respekt für viele dieser Aufstiegsbiografien und kann als Katholik, der selbst im Gemeindehaus in Aachen-Burtscheid sozialisiert wurde, an gelebter Religiosität von Muslimen nichts Schlechtes finden. Bei der Bundestagswahl werde Laschet in der türkischstämmigen Wählerschaft punkten, glaubt Güler: „Merkel ist sehr, sehr beliebt. Aber wenn jemand noch beliebter bei vielen dieser Menschen ist, dann ist es Armin Laschet.“
Bundestagswahl: Die Kanzlerkandidaten
Laschet und Güler duzen sich schon lange, gehen in Pausen gerne zusammen eine rauchen und verfügen über ein ähnlich lebhaftes Temperament. Sie ist seine Frau fürs Moderne, seine Volkspartei-Versicherung, eine Art Anti-Merz im weiten Kosmos der Union. Irgendwie der lebende Beweis, dass all das Gerede über Laschet als rückständiger „Helmut Kohl 2.0“ und seine angeblich fehlende Abgrenzung zum rechten Rand Unsinn ist.
Anders als die meisten Kabinettsanwärter, die den möglichen nächsten Kanzler Laschet umschwirren, ist Güler nicht in der Jungen Union auf das Leben als Berufspolitikerin vorbereitet worden. All die Seilschaften und Sandkastenspiele in den Gremien, die frühe Simulation von großer Politik, fehlen ihr. Man merkt es bisweilen an impulsiven Vorstößen. Nach der Wahlkreis-Nominierung des umstrittenen früheren Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen etwa nannte Güler die Parteifreunde in Südthüringen per Twitter „irre“ und schimpfte: „Ihr habt echt den Knall nicht gehört!“
Ungestüm geraten auch schon mal Abgrenzungsversuche zum konservativen Islam. So startete Güler 2018 einen unabgestimmten Vorstoß für ein Kopftuch-Verbot für junge Schul- und Kita-Kinder. Angstfrei scheint Güler zu sein: Wer laufend gleichermaßen von Rechtspopulisten wie von türkischen Nationalisten attackiert wird, muss hartgesotten sein. Als zuletzt im finalen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur die ersten CDU-Promis bereits von Laschet abrückten, hielt Güler ihrem Chef demonstrativ die Treue. Das ungleiche Duo Laschet/Güler wird nach dem 26. September wohl in Berlin weitermachen.
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