Düsseldorf. Die bis vor kurzem völlig unbekannte Grünen-Spitzenkandidatin entscheidet jetzt über die nächste Regierung in NRW. Wer ist die Frau?

Als Mona Neubaur am Wahlabend von einer der unzähligen Fernsehrunden im Düsseldorfer Landtag zurück zur Grünen-Wahlparty in einem nahegelegenen Varieté eilte, erkannte man sie kaum in einer Menschentraube. Die 44-jährige Spitzenkandidatin der Öko-Party wurde umringt von Parteifreunden, Mitarbeitern, Fotografen und ja: Bodyguards.

Augenfälliger hätte der Bedeutungszuwachs nach dem Rekordergebnis bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl nicht sein können. Neubaur hievte die Grünen mit 18,2 Prozent in historische Höhen und kann sich nun aussuchen, ob sie CDU-Wahlsieger Hendrik Wüst im Ministerpräsidentenamt hält oder mit den Verlierern von SPD und FDP doch eine Ampel hinbiegt.

Bislang Fahrrad, künftig Dienstlimousine

Noch vor nicht allzu langer Zeit sah man Punk-Fan Neubaur in Turnschuhen durch Düsseldorf radeln, und allenfalls landespolitische Insider wussten, dass sie bereits seit sieben Jahren Co-Vorsitzender der NRW-Grünen ist. Noch zu Wahlkampf-Beginn scheiterten Meinungsforschungsinstitute beim Versuch, Persönlichkeitswerte für die Diplom-Pädagogin zu ermitteln: Sie war schlicht zu unbekannt. Der Versuchung, für das Ministerpräsidenten-Amt zu kandidieren, hatte sie klugerweise widerstanden und einen „Windschatten-Wahlkampf“ geführt.

Nordrhein-Westfalens nächste Vize-Ministerpräsidentin: Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur hat jetzt die freie Regierungspartnerwahl. Bis dahin war es für sie ein langer Weg.
Nordrhein-Westfalens nächste Vize-Ministerpräsidentin: Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur hat jetzt die freie Regierungspartnerwahl. Bis dahin war es für sie ein langer Weg. © Foto:

Vom Noname zur Königsmacherin – wie geht das? Neubaur ist im altbayerischen Ort Pöttmes geboren und vor 25 Jahren zum Studium nach NRW gekommen. Das gerollte „R“ hat sie sich bewahrt, doch ansonsten ist sie längst bestens vernetzte Düsseldorferin mit Mitgliedsausweis bei der Fortuna. Wenn bei einer Demonstration gegen den Ukraine-Krieg Ordner fehlen, kostet es sie wenige Anrufe, um Helfer aus dem Stadion herbei zu lotsen.

Neubaur (Vorbild: Zeichentrick-Figur Lisa Simpson) ist eine in der Wolle gefärbte Grüne, die ihre beruflichen Erfahrungen außerhalb der Politik bei einem Ökostrom-Anbieter und der Heinrich-Böll-Stiftung machte. Sie gehört zu den Realos und pflegt ein enges Verhältnis zu Wirtschaftsminister Robert Habeck. Ohne dessen Popularitätswerte und die Omnipräsenz der grünen Außenministerin Annalena Baerbock in der Ukraine-Krise wäre die Verdreifachung des Landtagswahlergebnisses nicht denkbar gewesen.

Nicht allein Berliner Rückenwind trug die Grünen zum Erfolg

Dennoch sollte man Neubaur nicht allein als Profiteurin kräftigen Berliner Rückenwinds hinstellen. Ihr ist in den fünf Jahren seit der schmachvollen grünen Abwahl 2017 etwas gelungen, das anderen noch immer schwerfällt: Sie sprengte Milieugrenzen, tummelte sich nicht nur in grünen Hochburgen wie Köln oder Münster, sondern suchte gezielt den Austausch mit Kritikern. Der Lohn: Vor zwei Wochen hielt beim Kleinen Parteitag ausgerechnet der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie, Evonik-Chef Christian Kullmann, eine Laudatio auf die „liebe Mona“. Noch im Bundestagswahlkampf hatte Kullmann das Grünen-Programm als „Eistonne für Wachstum“ beschimpft.

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Neubaur kann mit ihrer Leutseligkeit Gräben überwinden. Die kinderlose und ledige Politikerin ist unermüdlich unterwegs. Außerdem blieb sie lernwillig und arbeitete an ihrem Hang zu Schachtelsätzen. Fähigkeiten, die sie als künftige Vize-Ministerpräsidenten brauchen wird.