Karlsruhe.

Angela Merkel erntet neunminütigen Applaus mit ihrer Kampfansage an SPD und Grüne. Ihre Warnung vor einem Linksruck kommt bei den Delegierte des Parteitags gut an. Die alte und neue Parteichefin streichelt die wunde Seele der CDU.

Wenn Josef Schlarmann auf der Bühne Angela Merkel lobt, dann muss wirklich etwas passiert sein in der CDU. Der Chef der Mittelstandsvereinigung lässt sonst keine Gelegenheit aus, der Parteivorsitzenden und Kanzlerin in die Beine zu grätschen. Zu lasch, zu harmlos, zu samtpfötig empfindet er Merkels Regierungskunst.

Nun tritt Schlarmann in den Karlsruher Messehallen ans Mikrofon und bescheinigt ihr, eine „richtungsweisende“ Re­de gehalten zu haben. Hoppla, was geht da vor sich? Ganz einfach: Wenn alle nur noch Grün sehen, zieht sich Angela Merkel eben das große Schwarze an, streichelt die wunde Parteiseele und rauft mit den politischen Mitbewerbern, dass es nur so scheppert.

Kampfansage

Vor allem die Kampfansage an SPD und Grüne, vor allem ihre Warnung vor einem Linksruck in der Republik verfehlt in der im 30-Prozent-Umfragetief verharrenden CDU ihr Ziel nicht. Erst applaudieren die 950 Delegierten neuneinhalb Minuten. Später wählen sie Merkel mit 90,4 Prozent an die Parteispitze; nur knapp viereinhalb Prozent weniger als 2008. Der befürchtete Dämpfer schrumpft zum „Denkzettelchen“. Merkels Re­de war der „ersehnte Aufruf zum Lagerwahlkampf“, bilanziert später zufrieden ein Abgesandter aus NRW mit Blick auf die sechs Landtagswahlen 2011, „die Samthandschuhe sind ausgemustert“.

In der Tat. Bilanziert man die Passagen, in denen sich Merkel mit dem früheren Ko­alitionspartner SPD und den grünen Umfrage-Weltmeistern auseinandersetzt, bleibt nur das Fazit: Vaterlandslose Ge­sellen, allesamt. Wirklichkeitsverweigerer, die sich unter Verleugnung früherer Beschlüsse in die Büsche schlagen, wenn die Stimmungsdemokraten auf der Straße allzu forsch werden. Selbst für den Abgang Horst Köhlers macht Merkel Rot-Grün irgendwie verantwortlich.

Wie eine Eiche

Staat kann man in dieser spaltenden, nicht versöhnenden Logik folglich nur mit der Union machen. Eine Union wie eine Eiche. Die steht. Ganz gleich, ob es um Stuttgart 21, Atomkraftwerke, Haushaltskonsolidierung oder die Integration von Ausländern geht. Den Koalitionspartner, die siechende Westerwelle-FDP, erwähnt Merkel mit keinem Wort.

Die Grünen dagegen kanzelt sie als Apostel der Beliebigkeit und Doppelmoral ab, die ständig gegen irgendetwas sind und Deutschland marode demonstrieren wollten. In der SPD sieht die Regierungs­chefin gar eine Vereinigung von Flüchtlingen. Flüchtlingen aus der Verantwortung, die mit einer Volkspartei nichts mehr gemein hätten.

„Illusionen, Hirngespinste“

Aus diesem Befund leitet Merkel ab, dass weder Schwarz-Grün oder „Jamaika“ noch eine große Koalition im Bund eine Zukunft hätten. „Illusionen, Hirngespinste“, poltert Merkel. Realer ist für sie 2013 die „einzige Alternative“ zum bürgerlich-liberalen Bündnis: Rot-Rot-Grün! Merkel sagt das mit Untergangs-Tremolo in der Stimme. Dieses Trio „unserem Land zu ersparen“, nennt sie eine Aufgabe von „geradezu historischer Tragweite“.

Mit manchem aktuellen Streitthema hält sich Merkel nur kurz auf. Dem Problem-Komplex Muslime/Integration nähert sie sich mit Sinnsprüchen wie „Wir leiden nicht an einem Zuviel an Islam, sondern an einem Zuwenig an Christentum“ an. Das von der Wirtschaft forcierte Thema Fachkräftemangel wird gleich komplett ausgeblendet.

„Werft die Prognosen in den Papierkorb“

Und was ist mit den bitteren Umfragen? „Werft die Prognosen in den Papierkorb“, ruft sie und nimmt mit Blick auf das Wahljahr 2011 eine Anleihe bei Altkanzler Helmut Kohl. „Wir haben es in der Hand, ob wir Zauderer oder Kleinmütige sind.“ Kleinmut, das ist spätestens jetzt allen klar, will sich Angela Merkel nie mehr nachsagen lassen.