Brüssel. .
Deutschland und Frankreich kämpfen beim EU-Gipfel für eine Reform der Währungsunion. Eine Krise wie in Griechenland, die die gesamte Union gefährdete, soll sich nicht wiederholen. Doch die Front der Gegner wächst.
Risikofreude gilt nicht als Angela Merkels starke Seite. Eher wird ihr nachgesagt, den Mut zur Entscheidung gern durch den feuchten Finger im Wind zu ersetzen. Doch was die Kanzlerin jetzt auf europäischer Ebene versucht, ist alles andere als übervorsichtig. Merkel drängt, Seite an Seite mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, die Partner, den mühsam ausgearbeiteten EU-Vertrag zu ändern – ein unattraktiverer Vorschlag ist in Brüssel kaum denkbar.
Man muss sich das vorstellen: Die Europäische Union hat soeben ein Jahrzehnt quälender Bastelei an ihrem „Grundgesetz“ hinter sich gebracht. Regierungen sind gestürzt. Volksabstimmungen gescheitert. Die Lust, den Lissabon-Vertrag gleich wieder zur Renovierung freizugeben, ist gleich Null. Und dann kommt die Regierungschefin des größten Mitgliedstaates daher und sagt: Wir schnüren das Ding noch einmal auf!
Nit harter Hand
Was will Merkel? Der EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt, soll die Weichen stellen, damit sich so etwas wie die Griechenland-Krise, als ein Euro-Land am Rand der Pleite stand und die gesamte Währungsunion gefährdet war, nicht wiederholt.
Dazu gehört zunächst ein Maßnahmenbündel, das die Mitgliedsstaaten zum soliden Wirtschaften nötigen und Defizitsünder mit harter Hand auf den Pfad der Tugend zurückbringen soll. Die EU-Kommission hat dazu zwar bereits strenge Gesetze entworfen, eine Arbeitsgruppe unter dem Ratspräsidenten Van Rompuy etwas weniger strenge Vorschläge gemacht. Die sollen auf dem Gipfel beschlossen werden – den Deutschen und den Franzosen reicht das aber nicht.
Sanktionen gegen Defizitsünder
Merkel und Sarkozy haben sich vergangene Woche im französischen Seebad Deauville auf einen Kompromiss verständigt, wonach quasi-automatische Sanktionen gegen Defizitsünder in der Eurozone sechs Monate nach dem Verstoß gegen die Defizitkriterien des Vertrages möglich sein sollen. Gleichzeitig trägt Frankreich die von Deutschland geforderte Vertragsänderung mit, unter der Staaten mit dauerhaft hohen Schulden damit rechnen müssen, dass ihnen die Stimmrechte im EU-Ministerrat entzogen werden. Zudem hat Sarkozy zugestimmt, dass private Käufer von Euro-Staatsanleihen künftig im Krisenfall mithaften sollen.
Dies geht gleich mehreren Mitgliedsländern zu weit – in der Sache, aber auch wegen der notwendigen Änderungen im Lissabon-Vertrag. Am Dienstag nun reihte sich auch die Europäische Kommission in die Front der Kritiker der deutsch-französischen Allianz ein. EU-Kommissarin Viviane Reding warf Deutschland und Frankreich Verantwortungslosigkeit vor, weil sie den nur mühsam umgesetzten Vertrag von Lissabon wieder aufschnüren wollten. „Haben die beiden denn nicht verstanden, dass wir zehn Jahre gebraucht haben, um den Vertrag von Lissabon unter Dach und Fach zu bekommen?“ fragte Reding. „Und dass dieser Vertrag genug Elemente besitzt, um Rettungsmaßnahmen abzusichern?“
Starker Verbündeter
Trotz der Kritik sieht man in Berlin Gründe zur Zuversicht. Zum einen sei Merkel ja nicht allein, Frankreichs Sarkozy sei ein starker Verbündeter. Auf dessen Zusagen könne sich Merkel verlassen, heißt es. Ein Einlenken der Deutschen ist zudem im Punkt Entzug von EU-Stimmrechten denkbar. Der Krisenmechanismus wäre der Bundesregierung im Zweifelsfall wichtiger. „Es ist eine Frage das politischen Willens – wir halten das für möglich”, erklären Merkels Strategen. Am Ende des Gipfels wird man wissen, ob auch die Partner es für möglich halten.