Deauville/Luxemburg. .
Die EU ringt um neue Regeln, wie sie Defizitsünder künftig stärker bestrafen kann. Ein wichtiger Schritt ist getan: Deutschland und Frankreich finden eine gemeinsame Linie.
Frankreich und Deutschland haben sich im Streit über schärfere Strafen gegen Defizitsünder auf eine gemeinsame Position verständigt. Sanktionen sollten erst verhängt werden, wenn ein ermahntes Mitgliedsland binnen sechs Monaten keine ausreichenden Anstrengungen zum Schuldenabbau ergriffen hat, erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy am Montag nach einem Treffen im französischen Badeort Deauville. Die EU-Finanzminister berieten unterdessen in Luxemburg über die Details der umstrittenen Verschärfung des Stabilitätspakts, mit der die EU bedrohliche Schuldenkrisen wie die Griechenlands künftig verhindern will.
Die beiden größten EU-Staaten Deutschland und Frankreich hatten monatelang gegensätzliche Positionen zu den geplanten Änderungen vertreten - Deutschland unterstützt von den Niederlanden und Finnland, Frankreich mit Hilfe Spaniens und Italiens. Die Bundesregierung hatte den Vorschlag der EU-Kommission unterstützt, Sanktionen möglichst automatisch zu verhängen. Die Kommission hätte dabei eine starke Rolle gespielt, denn die Finanzminister hätten einen Sanktionsbeschluss nur schwer wieder kippen können.
Sarkozy verspricht Merkel Unterstützung
Die nun erzielte Einigung zwischen Merkel und Sarkozy sieht vor, dass wie bisher der EU-Finanzministerrat mit qualifizierter Mehrheit über die stufenweise härteren Schritte in einem Sanktionsverfahren entscheiden. Sarkozy versprach Merkel im Gegenzug, Deutschland bei der Forderung nach Vertragsänderungen zu unterstützen. Die Bundesregierung will Haushaltssünder auch mit dem zeitweisen Entzug von Stimmrechten in der EU zur Räson bringen. Außerdem will Deutschland eine Art Insolvenzordnung für strauchelnde Euro-Länder durchsetzen, bei der sich private Gläubiger an den Kosten einer Rettung beteiligen müssten. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy soll nach dem Willen von Merkel und Sarkozy bis März 2011 konkrete Vorschläge zu Vertragsänderungen machen. Diese sollten bis 2013 ratifiziert werden.
„Das ist jetzt der Augenblick der Wahrheit dafür, ob die EU-Staaten wirklich eine wirtschaftspolitische Lenkung wollen oder nicht“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn vor der schon am frühen Morgen begonnenen Verhandlungsrunde der Finanzminister in Luxemburg. Den Pakt strikter anzuwenden und dabei den Gesamtschuldenstand stärker zu berücksichtigen, sei der „Lackmustest“ dafür. Nach dem Schock der Krise schworen die Euro-Länder, dass so etwas nie wieder passieren dürfe. Doch inzwischen hat sich die Lage beruhigt - und der Reformeifer lässt nach. „Viele Mitgliedstaaten bekommen jetzt kalte Füße, aber während der Krise im Frühjahr haben wir gesehen, was eine Staatsschuldenkrise anrichten kann“, sagte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager.
EU will mehr Einfluss
Die EU-Finanzminister beraten bereits seit Mai unter Leitung Van Rompuys über die Reform. Ende September hatte die EU-Kommission bereits neue Regeln vorgeschlagen, über die die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament aber erst nach dem Gipfel im üblichen Gesetzgebungsverfahren offiziell beraten werden.
Nach dem Vorschlag der Kommission sollen Geldstrafen gegen zu hohe Defizite künftig früher greifen und schwerer von den EU-Finanzministern zu verhindern sein. Sie würden zunächst als verzinste oder unverzinste Einlagen verhängt, die am Ende in eine Geldstrafe umgewandelt werden könnte. Halbwegs automatisch würden die Strafen dadurch, dass der Finanzministerrat die Anordnung der EU-Kommission nur mit qualifizierter Mehrheit verhindern könnte. Bisher war es umgekehrt: Die Kommission brauchte den Rückhalt von zwei Dritteln der EU-Staaten, um einzugreifen. „Wir akzeptieren alle, dass es eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit geben kann und die Abstimmungsregeln etwas geändert werden, damit die Kommission eine Rolle spielen kann“, sagte die spanische Finanzministerin Elena Salgado. Umstritten war aber, bei welcher Stufe des Prozesses Sanktionen ohne längere Fristen greifen würden - beim Abweichen vom Ziel des Haushaltsausgleichs schon bei Defiziten unter der Schwelle von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder erst beim Überschreiten dieser Grenze. (rtr)