Essen. .

Auf einer Betriebsversammlung von Hochtief in Essen hat SPD-Chef Gabriel die Bundesregierung aufgefordert, den von einer feindlichen Übernahme bedrohten Baukonzern in seinem Abwehrkampf zu unterstützen. Wirtschaftsminister Brüderle sieht keinen Grund zum Eingreifen.

Gabriel unterstützt Hochtief

weitere Videos

    SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Bundesregierung aufgefordert, den von einer feindlichen Übernahme bedrohten Baukonzern Hochtief in seinem Abwehrkampf zu unterstützen. Gabriel sagte am Donnerstag auf einer Betriebsversammlung des größten deutschen Baukonzerns in Essen, es bestehe die Gefahr, dass ein erfolgreiches deutsches Unternehmen zerschlagen werde, um einer angeschlagenen spanischen Firma wieder auf die Beine zu helfen. Hier dürfe die Bundesregierung nicht tatenlos zusehen.

    Nachbesserung des Übernahmerechts gefordert

    Gabriel appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sich aktiv um die Bildung eines Konsortiums zu bemühen, das eine Sperrminorität von 25,1 Prozent an Hochtief erwerben soll. Ein solcher „weißer Ritter“ würde die Möglichkeit von ACS bei der Steuerung des Unternehmens selbst nach einer Mehrheitsübernahme deutlich einschränken und damit den Kauf unattraktiver machen. Auch die deutsche Finanzwelt sei hier gefordert, mit Investitionen in den Essener Baukonzern einen „guten unternehmerischen Patriotismus“ zu beweisen, sagte der SPD-Chef.

    Brüderle sieht keinen Grund zum Eingreifen

    Bei der Bundesregierung stieß Gabriels Appell allerdings zunächst auf wenig Widerhall. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte im japanischen Nagoya: „Natürlich informiere ich mich über die Situation. Ein aktives Eingreifen der Politik ist ordnungspolitisch aber nicht angezeigt.“

    Außerdem forderte Gabriel eine schnellstmögliche Nachbesserung des deutschen Übernahmerechts. Der Fall Hochtief zeige, dass es nicht ausreiche, wenn Unternehmenskäufer nur beim Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle den anderen Aktionären ein Übernahmeangebot machen müssten. Notwendig seien weitere verpflichtende Übernahmeangebote - etwa in Zwei-Prozent-Schritten.

    „Es riecht nach Insiderhandel“

    An die deutsche Wertpapieraufsicht BaFin appellierte Gabriel, das Übernahmeangebot von ACS einer strengen Prüfung zu unterziehen. Denn es gebe Indizien, dass das Angebot nicht den deutschen Übernahmeregeln entspreche. „Das riecht nach Insiderhandel“, sagte Gabriel am Rande der Veranstaltung. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Siegfried Müller ergänzte, es bestehe der Verdacht, dass sich ACS über befreundete Käufer schon mehr als 30 Prozent der Hochtief-Anteile gesichert habe.

    Eine ACS-Sprecherin wies diese Vorwürfe allerdings entschieden zurück und betonte, das Angebot der Spanier sei völlig im Einklang mit dem deutschen Wertpapiergesetz. „Es gibt überhaupt keine Absprachen mit anderen Aktionären“, sagte sie der Nachrichtenagentur dapd. Eine Sprecherin der Wertpapieraufsicht betonte, der Appell Gabriels werde keinen Einfluss auf die Prüfung haben. „Natürlich gucken wir da gründlich hin“, fügte sie hinzu.

    Gabriel war vom Betriebsrat nach Essen eingeladen worden. Die Arbeitnehmer befürchten im Falle einer Hochtief-Übernahme eine Zerschlagung des Konzerns. In einer am Donnerstag veröffentlichten Petition warnten die Beschäftigten, ACS habe am deutschen Geschäft von Hochtief kein Interesse und werde es nach Möglichkeit nicht weiterentwickeln. Damit stünden in Deutschland mehr als 11.000 Hochtief-Mitarbeiter vor einer ungewissen Zukunft. Die Beschäftigten appellierten an die Politik, den schleichenden Kontrollerwerb durch ACS „auf geeigneten Kanälen“ zu verhindern. ACS selbst hat allerdings wiederholt betont, das Unternehmen plane keine Zerschlagung des deutschen Konzerns.

    „Reines Alibi-Angebot“

    ACS hatte vor vier Wochen seine Pläne für eine Übernahme des Wettbewerbers bekanntgegeben. Das spanische Unternehmen will den Hochtief-Anteilseignern acht eigene Aktien für fünf Hochtief-Papiere anbieten. Schon heute hält ACS knapp 30 Prozent der Hochtief-Aktien.

    Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bekräftigte ihre Kritik am Angebot der Spanier. Ein Sprecher sagte: „Das ist ein reines Alibi-Angebot.“ Es diene nur dazu, die gesetzliche Pflicht zu erfüllen. Danach sei ACS frei „in der Wahl der Waffen“ und könne die benötigten Papiere an der Börse oder bei Hedge-Fonds zukaufen.

    Aktionärsschützer sieht wenig Chancen für Hochtief

    Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sieht unterdessen nur wenig Chancen für einen Erfolg des Abwehrkampfs von Hochtief. „Hochtief ist, wenn man ehrlich ist, in einer sehr schlechten Lage“, sagte DSW-Sprecher Marco Cabras. Wenn nicht schnell ein „weißer Ritter“ auftauche oder der Börsenkurs ganz massiv ansteige, seien die Aussichten die Übernahme noch zu verhindern, „wirklich sehr gering“. Cabras hält die Ängste der Beschäftigen vor einer Zerschlagung des Unternehmens für durchaus berechtigt. Denn die Teile von Hochtief seien deutlich mehr wert, als der Konzern als Ganzes. (dapd)