Stuttgart. .

Zehntausende Menschen haben erneut gegen das Bahn-Projekt Stuttgart 21 protestiert. Dabei blieb es nach Polizeiangaben friedlich. Die Bahn weist derweil die Kritik an angeblicher Hauptverantwortung für den Konflikt zurück.

In Stuttgart haben am Samstag erneut Zehntausende Menschen gegen das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ demonstriert. Sie forderten einen sofortigen Baustopp und neue Verhandlungen. Die Veranstalter sprachen von rund 150.000 Teilnehmern, die Polizei ging von 55.000 Demonstranten aus.

An der Demonstration unter dem Motto „Sofort Baustopp - dann Gespräche“ beteiligten sich neben Demonstranten zu Fuß auch Fahrradfahrer und Inline-Skater. Sie zogen in einem eigenen Protestzug durch den Westen und Süden Stuttgarts zum Schlossgarten. Dort trafen sie auf die Fußgänger-Demonstration, die durch Stuttgart-Mitte verlief. Beide Demonstrationszüge und die Abschlusskundgebung im Schlossgarten verliefen nach Polizeiangaben völlig friedlich.

Stuttgart habe den am besten funktionierenden Kopfbahnhof Europas

Der ehemalige Leiter des Design-Centers der Deutschen Bahn AG, Karl-Dieter Bodack, warnte vor den negativen Folgen des Projekts. Ein zuverlässiger Bahnbetrieb und ein vernünftiger Fahrplan seien mit dem geplanten „Tunnel-Labyrinth“ unter Stuttgart nicht möglich. Zudem sei es nicht zu verantworten, für einen Fahrzeitgewinn von nur drei Minuten einen Park im Stadtzentrum weitgehend abzuholzen. Stuttgart habe den am besten funktionierenden Kopfbahnhof Europas. Es gebe klare Alternativen zu dem Milliardenvorhaben der Deutschen Bahn. Eine Botschaft aus dem Bahn-Tower in Frankfurt am Main habe ihm signalisiert, dass die Gegner von „Stuttgart 21“ inzwischen eine Chance von 50 Prozent hätten, das Projekt zu kippen. Diese Chancen ließen sich durch „friedvolle Hartnäckigkeit“ erhöhen, sagte die ehemalige Bahn-Führungskraft.

Der Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof soll den Zugverkehr entlasten und Umsteigewege verkürzen. Stuttgart soll über das Milliardenvorhaben an den europäischen Schnellbahnverkehr angeschlossen werden. Die Gegner von „Stuttgart 21“ kritisieren unter anderem, dass für den Bau Hunderte alte Bäume im Schlossgarten gefällt und große Freiflächen zubetoniert werden sollen. Das Stadtbild von Stuttgart würde durch die Lichtschächte für den unterirdischen Bahnhof verschandelt, warnen sie. Zudem sei das Projekt viel zu teuer und berge hohe technische Risiken.

Bahn weist Kritik zurück

Die Deutsche Bahn hat den Vorwurf des baden-württembergischen Grünen-Fraktionschefs Winfried Kretschmann zurückgewiesen, wonach Bahn-Chef Rüdiger Grube die Hauptverantwortung für die Zuspitzung im Konflikt um das Bauprojekt „Stuttgart 21“ trägt. Diese Kritik sei „unberechtigt“, teilte das Unternehmen am Samstag mit.

Fakt sei, dass gerade Grube „von Anfang an seine Gesprächsbereitschaft immer wieder unterstrichen hat und nachweislich zu den ersten Initiatoren eines sogenannten runden Tisches gehörte“. Die baden-württembergischen Grünen hätten einem runden Tisch zunächst ohne Vorbedingungen zugestimmt, dies später aber relativiert. Auch für die Zukunft habe Grube seine Dialogbereitschaft mehrfach ausdrücklich erklärt, hieß es.

Kretschmann hatte in der „Welt am Sonntag“ kritisiert, der von ihm und Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) vor Wochen gemeinsam initiierte Versuch, Befürworter und Gegner an einen runden Tisch zu bringen, sei am Widerstand Grubes gescheitert. Dieser sei nicht einmal bereit gewesen, nur fünf Tage mit den Abrissarbeiten am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs zu pausieren. Die Bilder vom Abriss hätten in der Folge eine „explosive Mischung von Ohnmacht und Zorn“ bei den Kritikern des Bahnprojekts erzeugt. (dapd)