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Wikileaks ist nicht mehr erreichbar. Nach einer Reihe von Pannen ist das Online-Portal, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, geheime Dokumente einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, angeblich aus Wartungsgründen nicht mehr am Netz. Dies könnte ein Indiz für den Zerfall des Projekts sein, denn in den vergangenen Wochen machte das Portal vor allem mit internen Streitigkeiten Schlagzeilen.

Im April dieses Jahres gelangte Wikileaks zu weltweiter Berühmtheit, als das Portal unter dem Titel „Collateral Murder“ Videodokumente der US-Armee veröffentlichte, die zeigen, wie in Bagdad aus einem Kampfhubschrauber heraus das Feuer auf Zivilisten eröffnet wird und mehrere Menschen getötet werden, darunter zwei Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters.

Danach geriet Wikileaks selbst unter Beschuss, erst durch die US-Regierung, dann durch bohrende Fragen nach der Transparenz des Portals. Zudem gab es Unklarheit, ob die Ehefrau des deutschen Sprechers Daniel Domscheit-Berg, der zuvor nur unter dem Pseudonym Daniel Schmitt aufgetreten war, ihren Job bei Microsoft und PR für Wikileaks miteinander vermischt. Der Streit in den eigenen Reihen könnte schließlich zur Abschaltung der Seite geführt haben.

Ende September erklärte Domscheit-Berg seinen Rückzug bei Wikileaks. Als Grund führte er in einem Interview mit Spiegel-Online einen Streit mit Wikileaks-Chef Julian Assange an. Es gebe technische Probleme und niemanden, der sich darum kümmere. „Wikileaks steckt in einer Phase, in der sich das Projekt verändern müsste“, erklärte Domscheit-Berg in dem Gespräch. Das Portal sei in den vergangenen Monaten wahnsinnig schnell gewachsen und müsse sich dringend in allen Bereichen professionalisieren und transparenter werden.

Domscheit-Berg kritisierte darüber hinaus, dass Wikileaks sich in den vergangenen Monaten nur um größere Veröffentlichungen gekümmert habe. Der gestiegene Druck auf die Macher führe dazu, dass nicht alle Arbeiten erledigt würden. Vor allem kleinere Einsendungen seien liegen geblieben. Zudem versperre sich Gründer Assange einer Reform des Projekts und werte Kritik an Wikileaks als persönlichen Angriff.

Vergewaltigungsvorwurf als schmutziger Trick?

Domscheit-Berg ist nicht der einzige Wikileaks-Aktivist, der das Projekt verlassen hat. Das US-Magazin Wired berichtete Anfang dieses Monats, weitere Mitarbeiter Assanges hätten das Projekt verlassen, darunter auch der Chefentwickler der Internetplattform. Grund sei der autokratische Führungsstil des Wikileaks-Gründers, berichtete das Magazin.

Gegen Wikileaks-Gründer Assange wurde im August Haftbefehl erlassen. Vergewaltigung, lautete der Vorwurf. Assange bestritt die Anschuldigungen und wertete sie als schmutzige Tricks seiner Gegner. In der Tat hatte Wikileaks vor einigen Monaten ein geheimes CIA-Dokument enthüllt, in dem Strategien beschrieben werden, um Wikileaks zu schwächen. Eine Möglichkeit: das Portal unglaubwürdig machen. Schwedische Staatsanwälte hoben den Haftbefehl gegen Assange mittlerweile wieder auf. „Es gibt für mich keinen Grund zu dem Verdacht mehr, dass er eine Vergewaltigung begangen hat“, erklärte die Stockholmer Justizsprecherin Eva Finné Ende August. Die Ermittlungen laufen allerdings weiter.

Zuletzt hatte Wikileaks über 80000 Dokumente über die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan veröffentlicht, dabei aber wohl vergessen, die Namen einiger Informanten zu schwärzen.

Seit auf der Internetseite nur noch das Wikileaks-Logo und der dürre Hinweis auf planmäßige Wartungsarbeiten zu sehen ist, herrscht Ungewissheit, was mit all jenen Dokumenten passiert, die Wikileaks aus anonymen Quellen erhalten hat, bislang aber nicht veröffentlichte. Gegenüber DerWesten erklärte Domscheit-Berg noch Anfang August dieses Jahres: „Wir wollen in Zukunft deutlich regionaler arbeiten.“ Laut Domscheit-Berg gingen beim Portal in den vergangenen Monaten durchschnittlich 30 Dokumente pro Tag ein.