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Nach dem Ausscheiden des deutschen „WikiLeaks-Sprechers“ wird dem Gründer Julian Assange mangelnde Transparenz der Strukturen vorgeworfen. Ein Blick in die Grauzonen hinter den Kulissen des Enthüllungsportals.
Im Streit um den Rücktritt des deutschen WikiLeaks-Sprechers kommt vieles an Licht. Auch dubioses. Da wird dem Gründer Julian Assange fehlende Transparenz vorgeworfen und diktatorisches Gehabe. Gleichzeitig heißt es, das Netzwerk sei nicht professionell genug und etliche eingereichte Dokumente würden anders als versprochen nicht veröffentlicht. Ein Blick hinter die Kulissen von WikiLeaks offenbart tatsächlich viele Schattenspiele.
Da ist zum Beispiel dieser Hang zu Heimlichtuerei, wo eigentlich keine Bange geboten sein sollte. Unklar ist, wer die Arbeit der angeblichen Enthüller finanziert. Es ist die Rede von Stiftungen und Spenden. Die Zahlen werden genauso wenig wie die dazu gehörenden Belege veröffentlicht.
Geheim, geheim
Genauso ist unklar, wie viele Helfer WikiLeaks tatsächlich hat. Und wer da im Schatten mitarbeitet. Um die Entscheidungsfindungen wird intern genauso Geheimhaltung geübt, wie über die Frage der Veröffentlichungsprinzipien. Man soll glauben, alles sei koscher, ohne nachprüfen zu können, ob das auch stimmt. Denn wer sich mit Geheimdiensten anlegt, könne nicht sich selbst offenbaren, heißt es aus dem WikiLeaks-Dunstkreis. Zu groß ist die Angst, das Portal selbst könnte manipuliert, gehackt oder gelöscht werden.
Die Lobeshymnen auf WikiLeaks erscheinen angesichts dieser Verschleierungstaktik seltsam. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die großen Enthüller, wie Bob Woodward (Washington Post) oder Hans Leyendecker (Süddeutsche Zeitung), immer offen mit ihren Namen für die Qualität ihrer Informationen gebürgt haben. Wieso haben es diese Reporter nicht nötig, sich hinter geheimen Identitäten zu verbergen, wenn sie doch mit dem Watergate- oder Flickskandal wesentlich härter Geschichten herausgebracht haben, als das WikiLeaks vermochte.
Manchmal scheint es, als wären mit einigen WikiLeakern die Pferde durchgegangen. Der Sprecher des deutschen WikiLeaks-Ablegers beispielsweise nannte sich bis zu seinem Ausscheiden Daniel Schmitt. Dieser Name ist falsch. Ausgedacht. Er habe sich nur so genannt, weil er bei einer „Sache“ mit einer Schweizer Versicherung lieber nicht auffallen wollte, sagt Daniel Schmitt, der im wirklichen Leben Daniel Domscheit-Berg heißt. Danach habe er den Zeitpunkt verpasst, seine Tarnung zu entfernen. Alle Welt habe ihn schließlich nur unter der Tarnkappe gekannt.
Aber ist das auch wirklich so? Oder sollte hinter der Tarnung nicht doch eine ganz andere Verbindung verschwinden.
Verheiratet mit der Lobbyistin von Microsoft
Die Ehefrau von Daniel Schmitt alias Daniel Domscheit-Berg ist Anke Domscheit-Berg. Diese ist eine Art Lobbyistin von Microsoft Deutschland. Ihr offizieller Titel im Tochterunternehmen des amerikanischen Softwarehaus lautet: Director Government Relations. Sie kümmert sich in dieser Position als IT-Expertin um Verbindungen zu Entscheidungsträgern in den öffentlichen Verwaltungen. Seien dies Regierungen, Landräten oder Staatskanzleien. Dort soll Anke Domscheit-Berg im Auftrag von Microsoft die Idee vom transparenten Staat verbreiten.
Sie selbst sagt, dies sei ihre Leidenschaft und decke sich zufällig mit den Unternehmenszielen. Sie sei privat, wie Microsoft offiziell, für Open-Source-Systeme, für Cloud-Computing und für den öffentlichen Durchblick durch staatliche Prozesse. Neben ihrer Arbeit kümmert sich die Lobbyistin - ob privat oder bezahlt - um Government 2.0-Lösungen, und versucht den deutschen Staat zu überzeugen, möglichst viel über Microsoft-Systeme online abzulegen. In ihrem privaten Twitteraccount „anked“ wirbt sie beispielsweise genauso für diese Ziele wie als Vorstandsmitglied Government 2.0 Netzwerk D.
Engagement in der Frei- und Arbeitszeit verschwimmen
Es ist bei Anke Domscheit-Berg nicht mehr zu erkennen, was bei ihr ein Engagement in der Freizeit ist und was als Einsatz in der Arbeitszeit durchgeht. Wie in der Welt der Lobbyisten so oft üblich, vermischt sich Privates mit dem Beruf bis zur Unkenntlichkeit der Grenzen. Microsoft sagt zu dieser Art von Tätigkeit: „Bei Microsoft haben wir ein sogenanntes Vertrauensarbeitszeitmodell. Danach ist es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitgehend überlassen, ihre Arbeitszeit einzuteilen. Gemessen wird die Arbeitsleistung anhand der Zielerreichung.“
Doch welche Ziele sind denn noch rein beruflich, wenn sich alles vermischt?
Auch WikiLeaks fand die Microsoft-Lobbyistin bislang gut. Dies allerdings rein privat, wie Anke Domscheit-Berg betont. Und auch Microsoft sagt, man habe lediglich von der Nähe zu WikiLeaks gewusst, darin aber kein Problem für die Lobbyarbeit im Interesse des Konzerns gesehen. Dabei vermengte die Microsoft-Lobbyistin ihre Öffentlichkeits-Leistungen pro WikiLeaks fröhlich mit der PR-Arbeit für Microsoft. Im Deutschlandfunk beispielsweise lobte sie das Portal als Beispiel „für eine Bewegung, die mit den Methoden des Internets eines transparenteren Staat“ durchsetzt. Ganz im Interesse Microsoft für transparente Regierungs-Software.
Gleichzeitig twitterte Domscheit-Berg von ihrem privaten Account „anked“ fast täglich pro WikiLeaks. Immer wieder wies sie auch auf dessen Thesen ihres Mannes unter dessen Decknamen hin. Damit nicht genug. Sie betrieb auch so eine Art von systematischer Public Relations pro WikiLeaks. Als die taz etwa einmal was Kritisches über WikiLeaks berichtete, konterte die Lobbyistin via Twitter: „einer der schlechtesten tazartikel ever (“loch im leak“, ü @WikiLeaks) bekommt verdiente kritik“. Später dann kam diese Werbe-Mitteilung über den Domscheit-Berg-Twitter-Account: „MicrosoftPresse RT @WindowsGermany: Internet Explorer-Add-On: Alle WM-News und Ergebnisse live im Browser“. Dann warb Anke Domscheit-Berg für das „Whistleblower-Treffen in Berlin“ und sorgte sich um den Streit zwischen Pentagon und WikiLeaks. Oder kümmerte sich um die App genannten Runterlade-Programme der US-Army. „Congratulations“. Um weiter zu spotten: „RT @lexikon1: Hahahah silly, idiot ‚journalists’…“
Fördert Microsoft WikiLeaks?
Die Frage ist, ob eine Microsoft-Lobbyistin auf diese Weise WikiLeaks öffentlich unterstützen kann? Hat sie eventuell sogar noch mehr gemacht? Ist sie etwa im Auftrag von Microsoft eine der heimlichen Unterstützerinnen im Hintergrund von WikiLeaks?
Sie selbst sagt, sie habe das Netzwerk nur so privat unterstützt, weil sie WikiLeaks gut findet – mehr nicht. Sie habe nie daran mitgewirkt. Und weiter sagt sie: „Meine private Meinung ist keine PR für WikiLeaks“. Ihr Arbeitgeber sagt, WikiLeaks stehe nicht in Konkurrenz zu Microsoft, insofern gebe es da nichts vorzuwerfen, auch handele es sich bei dem öffentlichen Applaus pro WikiLeaks bei Twitter nicht um Public Relations. „Sich in Social Media Plattformen zu engagieren und als Privatperson Stellung zu beziehen, ist gesellschaftliches Engagement, das wir uns von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünschen.“