Berlin. .
Die baden-württembergische Regierung gibt sich im Streit um das Bauprojekt Stuttgart 21 kompromissbereit. Abrissarbeiten an einem Teil des Hauptbahnhofes würden vorerst eingestellt, sagte Umweltministerin Gönner. Einen Baustopp lehnt sie aber ab.
Im Streit um das umstrittenen Bahnprojekt „Stuttgart 21“ soll der Südflügel des Bahnhofs zunächst nicht abgerissen werden. Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) lehnte einen Baustopp als Vorbedingung für Gespräche mit den Gegnern des Projekts zwar erneut ab. „Wir sind zum Dialog bereit, aber es ist für uns äußerst schwierig, dort einen Baustopp anzubieten“, sagte Gönner am Montagabend im ZDF-“heute-jounral“. Der Südflügel sei aber für den Baufortschritt nicht notwendig. „Wir werden ihn so bestehen lassen. Und ich glaube, das ist ein Signal“, sagte die Ministerin.
Grube betont Respekt vor friedlichen Demonstranten
Der Vorstandschef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, hat in einem Schreiben an alle Bahn-Mitarbeiter Respekt vor friedlichen Demonstranten bekundet, das Projekt „Stuttgart 21“ aber nach wie vor für „verkehrspolitisch notwendig“ erklärt. In einem Schreiben an die rund 240.000 Konzernmitarbeiter vom Montag, bot Grube den Kritikern des milliardenschweren Projektes erneut Gespräche an. Er erklärte zu den Protesten gegen die Rodung von Bäumen im Schlossgarten Stuttgarts: „Für jeden gefällten Baum pflanzen wir 200 neue.“
Es gehe bei „Stuttgart 21“ um die Stärkung des Schienenverkehrs. Dies sei die „vorrangige Aufgabe“ der Deutschen Bahn AG. Der Umbau des Stuttgarter Bahnhofs und der Bau der Schnellfahrstrecke nach Ulm sei „eine einmalige Chance, eine der wirtschaftsstärksten Regionen Europas an das internationale Hochgeschwindigkeitsnetz anzubinden“. Es würden tausende neue Arbeitsplätze geschaffen.
„Demokratisch beschlossen“
Grube war am Sonntag scharf kritisiert worden, weil er in einem „Bild am Sonntag“-Interview erklärt hatte: „Ein Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht!“ Nun nannte er es „sehr menschlich“, dass Veränderungen zu Ängsten oder Ablehnung führten wie derzeit in Stuttgart. „Wir haben großen Respekt vor allen, die friedlich und mit legalen Mitteln demonstrieren. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht sind zentrale Elemente unserer Demokratie“, sagte der Bahnchef.
Zugleich erinnerte Grube daran, dass das Projekt jahrelang öffentlich diskutiert und intensiv geprüft worden sei. „Der Bau von Stuttgart 21 ist demokratisch beschlossen worden“, betonte er.Es sei „klar und transparent erläutert“ worden, warum jetzt 25 Bäume weichen müssen. „Es ist kein Baum mehr als unbedingt notwendig in Stuttgart gefällt worden. Über 5000 neue Bäume werden gepflanzt. Für jeden gefällten Baum pflanzen wir 200 neue“, versprach der Bahnchef.
Mehrere Zehntausend Demonstranten am Montagabend
Unterdessen haben in Stuttgart erneut zehntausende Menschen gegen das umstrittene Großbauprojekt „Stuttgart 21“ demonstriert. Zu einer Kundgebung im Stadtgarten am Hauptbahnhof kamen am Montagabend Polizeiangaben zufolge 25.000 Menschen. Die Veranstalter sprachen von rund 50.000 Teilnehmern. „So viele Menschen waren Montags noch nie da“, sagte Axel Wieland von den Projektgegnern. Dies sei offenbar auch eine Reaktion auf die Äußerungen von Bahnchef Rüdiger Grube. Dieser hatte erklärt, er halte die Proteste gegen „Stuttgart 21“ für nicht gerechtfertigt; es gebe kein „Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau“. Die Menschen seien „interessiert und empört“, sagte Wieland. Sie wollten daher „Flagge zeigen“.Der Abend verlief nach ersten Angaben von Polizei und Veranstaltern friedlich. Nach Ende der Kundgebung liefen zahlreiche Demonstranten noch durch das Zentrum der baden-württembergischen Landeshauptstadt
Bereits am Freitag, einen Tag nach dem Polizeieinsatz, bei dem über 100 Menschen verletzt worden waren, hatten die Teilnehmer eine Rekordteilnehmerzahl von 100.000 Menschen verzeichnet. Die Protestbewegung hat damit nach dem kontrovers diskutierten Polizeieinsatz zur Sicherung der Baustelle und der umstrittenen Fällung von 25 Bäumen am vergangenen Donnerstag erneut Zulauf bekommen. Ein Sprecher der Gegner zeigte sich überwältigt: „Wir schaffen es nicht nur, die Leute am Freitagabend auf die Straße zu bekommen, sondern auch am Montagabend um 18 Uhr.“ (dapd/afp)