Berlin. .
Die Rede von Bundespräsident Wulff ist bei den Muslimen als differenziert und wohltuend aufgenommen worden. Wulff hatte Zuwanderer zur Integration aufgerufen, gleichzeitig bei den Deutschen für Toleranz geworben. Er erntete aber auch Kritik.
Der Zentralrat der Muslime hat die Rede von Bundespräsident Christian Wulff zum Tag der Deutschen Einheit und seine Bemerkungen zum Islam begrüßt. „ Um die innere Einheit zu erreichen, müssen wir noch ein beträchtliches Stück Weg zurücklegen. Das gilt eben nicht nur für das Zusammenwachsen zwischen Ost und West, sondern auch für das Zusammenwachsen von unterschiedlichen Kulturen und religiösen Anschauungen. Darauf hat Wulff ausdrücklich verwiesen, und das begrüßen wir natürlich“, sagte der Vorsitzende des Zentralrates, Aiman Mazyek, der „Berliner Zeitung“.
„„Wir sind ein Volk!“ ist keine Zustandsbeschreibung. Ich verstehe den Satz als Appell an uns alle“, fügte er hinzu. In Deutschland gebe es derzeit wirtschaftliche und soziale Unsicherheiten. Da bestehe immer die Gefahr, dass die Menschen auf Populisten und Scharlatane hereinfallen, die einfache Lösungen anbieten. „Da war die Rede des Präsidenten wohltuend, weil er differenziert“, sagte der Vorsitzende. „Derzeit erlebe ich in der muslimischen Gemeinde einige Frustrationen angesichts der Sarrazin-Debatte. Viele haben den Eindruck: Wieder einmal wird über uns, statt mit uns gesprochen. Wir sagen den Muslimen, zieht euch nicht zurück in eine innere Emigration, sondern engagiert euch.“
Laschet: Die Rede ist ein Meilenstein
Der ehemalige Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin (SPD) hatte mit Äußerungen über eine angeblich erbliche Dummheit muslimischer Migranten sowie Gene von Juden bundesweit für Empörung gesorgt. Die Bundesbank hatte daraufhin beim Bundespräsidenten seine Abberufung beantragt. Sarrazin verzichtete schließlich selbst auf das Vorstandsamt bei der Bundesbank. Derzeit läuft in der SPD ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn.
Auch der frühere NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) lobte Wulff. „Die Rede ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Aufsteigerrepublik für alle unabhängig von der Herkunft der Eltern“, sagte Laschet der „Rheinische Post“. „Wir brauchen eine neue deutsche Einheit, bei der Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte Ja sagen zu unserem Land.“ Die Botschaft des Bundespräsidenten mache dabei Mut.
Scholl-Latour: Deutschland ist kein muslimisches Land
Kritischer äußerte sich Weihbischof Hans-Jochen Jaschke vom Erzbistum Hamburg. „Muslime sollen bei uns zu Hause sein und unsere Verfassung bejahen“, sagte Jaschke der „Bild“-Zeitung. Deutschland sei aber immer noch stark von der christlichen Kultur und Tradition geprägt. „Und ich kämpfe dafür, dass wir diese nicht preisgeben. Die Muslime müssen die gewachsene Mehrheitskultur in unserem Land respektieren.“ Der Islam-Kenner Peter Scholl-Latour sagte der selben Zeitung, er wundere sich über Wulffs Äußerungen. Deutschland sei kein muslimisches Land. „Wir haben eine abendländisch-christlich-jüdische Kultur, die mit dem Islam nicht identisch ist.“
Bundespräsident Wulff hatte in seiner Rede die Deutschen zur Offenheit gegenüber Menschen anderer Kulturen und Religionen aufgerufen. Zugehörigkeit dürfe nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt werden. Im Sinne der christlich-jüdischen Geschichte gehörten das Christentum und das Judentum zweifelsfrei zu Deutschland. „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“, betonte Wulff. Schon Goethe habe vor 200 Jahren festgestellt: „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“(dapd/rtr)