Prag. Der spektakuläre Erfolg des niederländischen Rechtsaußenpolitikers Geert Wilders bei der Europawahl ist allem Anschein kein Einzelfall. Die Politikverdrossenheit, die geringe Wahlbeteiligung und die Wirtschaftskrise dürften Rechtsextremen europaweit starke Zugewinne bescheren.
Der spektakuläre Erfolg des niederländischen Rechtsaußenpolitikers Geert Wilders bei der Europawahl ist allem Anschein kein Einzelfall. Die Politikverdrossenheit und die geringe Wahlbeteiligung vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und anhaltender Wirtschaftskrise dürften rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien bei dem bis Sonntag dauernden Wahlgang starke Zugewinne bescheren. Das gilt unter anderem auch für Tschechien, wo am Freitag abgestimmt wurde.
Nach Auszählung fast aller Stimmen am Freitag gewann Wilders' Partei für die Freiheit (PVV) in den Niederlanden aus dem Stand 16,9 Prozent der Stimmen und vier Sitze im Europäischen Parlament. Auch anderswo könnten Parteien mit nationalistischen und dumpfen fremdenfeindlichen Parolen erstmals den Einzug ins Europaparlament schaffen.
Rechtsrutsch in Osteuropa?
Besonders laut trommelten vor der Wahl die Rechtsextremen in Tschechien. Sie machten offen gegen die Minderheit der Roma mobil. Europaweit für Empörung sorgte die Nationalpartei mit einem unsäglichen TV-Wahlspot, in dem eine «Endlösung für die Zigeunerfrage» gefordert wird.
Der belgische Politikwissenschaftler Pascal Delwit hält in Osteuropa Zugewinne der Rechten für möglich, weil dort die Wirtschaftskrise die Menschen besonders hart treffe. In vielen der ehemals kommunistischen Länder sei die Wirtschaft nach jahrelangem Boom regelrecht kollabiert.
Die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg habe gelehrt, «dass eine nicht unter Kontrolle gebrachte Wirtschafts- und Sozialkrise fruchtbarer Boden für radikale Bewegungen sein kann», warnte unlängst der ungarische Regierungschef Gordon Bajnai. Tatsächlich könnte die rechtsextreme Jobbik-Partei mit ihrer Hetze gegen die Roma in Ungarn Zulauf bekommen.
Proteststimmen in Großbritannien
In Großbritannien sieht sich die British National Party (BNP) als Gewinnerin des Spesenmissbrauchs im Parlament. Die etablierten Parteien wollen die Rechten mit dem Slogan «Bestraft die Schweine» das Fürchten lehren und Wähler mit Parolen wie «Britische Jobs für britische Arbeiter» einfangen. BNP-Führer Präsident Nick Griffin hofft auf «bis zu sieben Abgeordnete» im Europaparlament.
Griffin schlachtet dabei auch die Angst vor einem möglichen EU-Beitritt der Türkei aus, mit dem «80 Millionen muslimische Niedriglohn-Türken Großbritannien überschwemmen» würden. In Österreich spielt die rechtspopulistische FPÖ auf derselben Klaviatur und reimt «Abendland in Christenhand». Sie könnte die Zahl ihrer Abgeordneten von einem auf drei erhöhen.
Mit der Ablehnung des Türkei-Beitritts können die Rechtsextremen in Frankreich dagegen kaum punkten. Das Thema hat der konservative Staatschef Nicolas Sarkozy schon lange für sich entdeckt. Der fremdenfeindlichen Partei Front National (FN) von Jean-Marie Le Pen werden dieses Mal sechs bis sieben Prozent zugetraut - rund drei Prozent weniger als vor fünf Jahren. Keine Chancen auf einen Einzug ins Parlament hat dagegen der Satiriker Dieudonné, der mit seiner «anti-zionistischen Liste» antritt und beinahe von der Regierung mit einem Verbot belegt worden wäre. (afp)