Berlin. .

Die CSU sträubt sich gegen eine Anhebung des Hartz-IV-Satzes. Parteichef Horst Seehofer äußerte, er werbe für „Aktivieren statt Alimentieren.

Die CSU stemmt sich gegen jegliche Erhöhung der Hartz-IV-Sätze. Kurz vor der Entscheidung der Koalition sagte Parteichef Horst Seehofer am Samstag, die CSU werde einem Aufschlag auf den Regelsatz von 359 Euro monatlich nur zustimmen, „wenn es verfassungsrechtlich überhaupt nicht anders geht“. Er werbe für „Aktivieren statt Alimentieren“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, oberstes Ziel müsse es sein, Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu holen. Dann werde der Staat Milliarden sparen.

Zur Höhe der Sätze äußerte sich Merkel nicht. Sie sagte nur, diese würden „völlig transparent“ berechnet. Zuvor war bekannt geworden, dass nur eine Erhöhung um wenige Euro zur Debatte steht. Nach dapd-Informationen sind weniger als 20 Euro zusätzlich im Gespräch, die „Süddeutsche Zeitung“ spekulierte über gut zehn Euro. SPD, Linke und Sozialverbände halten das für viel zu wenig und kündigten Widerstand an. Sie fordern mindestens 40 Euro mehr pro Monat. Die Neufassung von Hartz IV war der Regierung vom Bundesverfassungsgericht auferlegt worden. Die Koalitionsspitzen wollen das Thema heute in einer Runde unter Leitung der Bundeskanzlerin entscheiden.

Alkohol und Zigaretten

Derzeit beziehen rund 6,8 Millionen Menschen Hartz IV. Das Verfassungsgericht hatte der Regierung eine Neuberechnung aufgetragen. Die Entscheidung soll in einer Koalitionsrunde am Sonntag fallen.

Seehofer sagte: „Der Sozialstaat darf nicht aus dem Ruder laufen, er muss bezahlbar bleiben.“ Die Anstrengungen müssten darauf zielen, „dass wir Langzeitarbeitslose bei der jetzt besseren Wirtschaftslage wieder in Arbeit bringen“. Der CSU-Chef fügte hinzu, Ausgaben für Zigaretten und Alkohol hätten „in einem Regelsatz nichts verloren, den die Solidargemeinschaft für Bedürftige aufbringt“. Nur bei Hilfe für Bildung sieht er Handlungsbedarf.

„Geschacher auf offener Bühne“

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wandte sich gegen eine Erhöhung auf Pump: „Wir müssen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfüllen, dürfen uns aber nicht noch höher verschulden.“ Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) müsse in ihrem Haushalt einen Sparbeitrag erbringen. Bei Hartz IV müsse der Berechnungsmodus geändert werden, damit besonders die Anliegen von Kindern berücksichtigt werden könnten.

SPD und Sozialverbände fordern dagegen eine kräftige Erhöhung auf 400 bis 420 Euro im Monat. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles griff die Koalition wegen deren Hin und Her scharf an. Sie sprach von einem „Geschacher auf offener Bühne“. Von Transparenz könne keine Rede sein. „Es wird gekungelt, es wird gemauschelt, es wird getrickst.“ Von der Leyen werde ihrer Aufgabe als Ressortchefin derzeit „nicht gerecht“. Die SPD werde keinem Gesetz zustimmen, das nicht verfassungskonform sei. „Wir werden uns im Bundesrat dagegen stemmen“, sagte sie. SPD-Vizefraktionschef Hubertus Heil sagte, gegen verfassungswidrig niedrige Sätze wäre auch „mit neuen Klagen zu rechnen“.

„Sozialrassistische Tendenzen“

Auch Linken-Chef Klaus Ernst kündigte an, seine Partei werde „juristisch, parlamentarisch und außerparlamentarisch alles unternehmen, um die Vertiefung der Armut per Gesetz durch CDU/CSU und FDP zu stoppen“. Er sprach ebenfalls von Geschacher und Getrickse.

Das Erwerbslosen Forum Deutschland erklärte, nun könnten „Bundestagsabgeordnete damit rechnen, dass sie nicht mehr Ruhe gelassen werden“. Allein für eine ausgewogene und gesunde Ernährung fehlten mindestens 80 Euro im Monat. Wegen der Pläne zur Streichung der Beträge für Tabak und Alkohol sprach das Forum sogar von „Doppelmoral mit sozialrassistischen Tendenzen“.

Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, forderte die Bundesregierung auf, mit der Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze auch die bestehenden Dämpfungsfaktoren für die Rente zu streichen. Andernfalls würden Hartz IV und Grundsicherung tatsächlich höher ausfallen als die Renten. (dapd)