Essen/Berlin. .

Hartz IV wird neu geregelt. Demnächst bezahlt das Jobcenter den Kindern von Langzeitarbeitslosen den Sportverein. Aber nicht nur ihnen.

Wie viel Geld braucht man in Deutschland, um menschenwürdig leben zu können? Die Höhe der Hartz-IV-Sätze war die meistdiskutierte Frage bei der Neuberechnung. Dabei finden die größten Veränderungen nicht bei den Regelsätzen statt, sondern im Umgang mit den Kindern von Langzeitarbeitslosen. Die wichtigsten Punkte:

Regelsätze

Wie sich abzeichnet, sollen die Regelsätze für Erwachsene von 359 Euro nur um wenige Euro und die für Kinder gar nicht steigen. Wie vom Verfassungsgericht verlangt, sollen die Regelsätze dafür künftig mit den Preisen steigen. Die Anpassung soll sich zu 70 Prozent an der Inflation und zu 30 Prozent an den Löhnen orientieren. Allerdings ist das nur eine Übergangslösung: Ab 2014 soll es eine jährliche Verbrauchsstudie von Gering­verdienern geben, nach denen sich Hartz IV richtet. Derzeit wird sie nur alle fünf Jahre durchgeführt, die jährliche An­passung erfolgte im Gleichschritt mit den Renten.

Bedarf der Kinder

Die Verfassungsrichter haben vor allem moniert, dass der Staat bisher überhaupt nicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Kinder eingeht. Ihre Regelsätze orientieren sich an denen für Erwachsene, Kinder erhalten je nach Alter 60, 70 oder 80 Prozent des Erwachsenensatzes. Schaut man in den Warenkorb, erhalten Kinder demnach Geld für Zigaretten und Alkohol, aber keinen Cent für Schulhefte. Die Richter verlangten eine neue Erhebung darüber, was Kinder wirklich brauchen.

Diese Vorgabe will Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CSU) für einen echten Schnitt nutzen: Statt den El­tern mehr Geld zu überweisen, sollen die Jobcenter den Mu­sikkurs, den Fußballverein oder auch Nachhilfe direkt be­zahlen. Die frühere Familienministerin macht so mit der Hartz-Reform auch Bildungspolitik. Der Entwurf legt de­tailliert fest, was die Jobcenter übernehmen können:

Für die Schule

Das so genannte Schulbedarfspaket von 100 Euro wird aufgeteilt: Künftig gibt es 70 Euro zu Beginn des ersten und 30 Euro zu Beginn des zweiten Halbjahrs. Zudem werden ne­ben mehrtägigen Klassenfahrten nun auch eintägige Ausflüge bezahlt. Die Kinder sollen auch ein Mittagessen bekommen, wenn ihre Schule das anbietet.

Nachhilfe, Freizeit und Kultur

Wenn die Versetzung gefährdet, aber noch machbar ist, soll Nachhilfe bezahlt werden. Hier sollen Angebote der Schule Vorrang vor privater Nachhilfe haben. Die Schulen sollen auch entscheiden, für welchen Schüler Nachhilfe sinnvoll ist. Schulschwänzer und Kinder, deren Versetzung kaum noch erreichbar ist, sollen nicht gefördert werden.

Auch können Mitgliedsbeiträge für Sport, Spiel, Kultur, Geselligkeit erstattet werden, dazu Musikunterricht und „vergleichbare Kurse der kulturellen Bildung“ sowie Freizeiten.

Wie viel Geld gibt es?

Die Jobcenter zahlen keineswegs alles, was Kinder möchten. Vorgesehen sind 480 Millionen Euro pro Jahr für Bildungsleistungen. Das ergibt rein rechnerisch für jedes Kind rund 20 Euro im Monat. Insgesamt rechnet von der Leyen mit Kosten von 620 Millionen.

Zum Start 2011 sollen zu­nächst die Jobcenter die Beiträge auf Antrag direkt bezahlen. Nach wenigen Monaten sollen stattdessen Bildungsgutscheine ausgeteilt werden. Für die von der Ministerin fa­vorisierte Chipkarte muss erst noch ein System entwickelt werden, das nicht vor Mitte 2012 fertig sein soll.

Geringverdiener

Laut Gesetzentwurf richtet sich das Angebot auch an Kinder von Eltern, die mit ihrem Einkommen nur knapp über Hartz IV liegen, „insbesondere die Empfänger des Kinderzuschlags“. Den Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro gibt es derzeit für rund 290 000 Kinder von Geringverdienern.