New York. .
Er ist der Debütant beim großen Ritual der Weltgemeinschaft: Deutschlands Außenminister Westerwelle ist auf Antrittsbesuch bei den Vereinten Nationen in New York. Unter anderem will er für einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat werben.
Mittwochmorgen, 8.40 Uhr vor dem Eingang des Hotel Intercontinental in Manhattan. Deutsche Kamera-Teams drängeln sich auf dem Bürgersteig. Alle paar Meter stehen breitschultrige Sicherheitskräfte, mit Knopf im Ohr, und sondieren aufmerksam das wuselige Treiben an einem ungewöhnlich heißen New Yorker Septembermorgen. Dann kommt er: Guido Westerwelle, Außenminister Deutschlands und Debütant bei dem großen Ritual der Weltgemeinschaft, das so richtig erst morgen beginnt.
Dann spricht US-Präsident Barack Obama zur 65. Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN), in der es wie immer irgendwie um alles geht: Massenvernichtungswaffen, kollabierende Staaten, Bürgerkrieg, Völkermord, Umweltzerstörung; die Zukunft des Planeten eben.
Der Deutsche ist laut Plan erst Samstag dran. Es wird seine Jungfern-Rede vor den Vereinten Nationen halten. Was Besonderes, natürlich. Bis zuletzt wird am Manuskript gefeilt. Inhalt: noch geheim.
Keine Statements zur deutschen Innenpolitik
Bis dahin wartet von früh bis spät ein dicht gedrängter Terminkalender mit diplomatischen Fingerübungen im Halbstundentakt auf den Vorsitzenden der FDP, der gerade in Deutschland (wieder) in punkto Hartz IV für Schlagzeilen sorgt.
Aber klar: Zu innenpolitischen Angelegenheiten, sagt Westerwelle erwartungsgemäß auf die Frage eines Radio-Reporters, wird er sich im Ausland nicht äußern. Und meint damit ihm zugeschriebene Äußerungen, wonach 40 Euro im Monat mehr für jeden Hartz-IV-Empfänger mit der FDP nicht zu machen seien. 40 Euro - in New York geht es dem mit einem großen Stab des Auswärtigen Amtes angereisten Liberalen nicht ums Kleinklein daheim. Bis zu seiner Abreise am Samstagabend will der Vizekanzler vor allem auf zwei Feldern etwas bewegen. Erstens: Gemeinsam mit Japan, Australien, Polen, Chile und Mexiko will Deutschland innerhalb der UNO eine neue Abrüstungsinitiave starten.
„Das Momentum“ dafür sei da, sagt Westerwelle, seit US-Präsident Obama seinerseits mit „Global Zero“, zu deutsch etwa: „null Atomwaffen“, gestartet ist.
Merkel und Westerwelle werben für deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat
Seit einem Amtsantritt vor bald einem Jahr versucht Westerwelle dem Thema Leben einzuhauchen, eine eigene Handschrift zu geben. Und wie schon so oft begründet er sein Anliegen so: Je mehr Staaten sich nuklear bewaffnen, desto größer werde die „Griffnähe“ für Terroristen. Abrüstung, so der deutsche Außenminister abschließend, sei eine „mindestens ebenso große Menschheitsaufgabe wie der Schutz unseres Klimas“.
Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die bis Dienstag vor Ort war, wird sich Westerwelle am Hudson River während seiner fünftägigen Visite persönlich für einen nicht-ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat für die Jahre 2010/11 einsetzen.
Die Wahl findet nach jetzigem Stand am 12. Oktober statt. Klappt es, fährt Westerwelle wohl wieder hin. Von den insgesamt 15 Plätzen im wichtigsten UN-Gremium, das letztlich über Kriegen und Frieden entscheidet, werden fünf nicht-ständige Plätze neu besetzt. Zwei der Sitze stehen nach den Gepflogenheiten der Vereinten Nationen der „Gruppe der westlichen Staaten“ zu.
„Ganz enges Rennen“ mit Kanada und Portugal
Neben Deutschland sind Kanada und Portugal im Lostopf. Westerwelle nennt sie „starke Mitbewerber“, spricht von einem „ganz engen Rennen“ und davon, dass Deutschland „zuversichtlich“ sei. Argumente? Deutschland gehöre zu den „aktivsten“ Staaten in der UNO, besitze als „starker Beitragszahler“ Gewicht und habe sich, nicht zuletzt durch eine „Kultur der militärischen Zurückhaltung“, weltweit Anerkennung erworben.
Am Ende aber zählen Stimmen. 128 von 192 Ja-Worte in der UN-Vollversammlung benötigt die Bewerbung. Es wird geheim abgestimmt. Und nicht immer sind Zusagen, die deutsche Diplomaten in den vergangenen Monaten von diesem oder jenem Staat erhalten haben, erfahrungsgemäß auch Stimmen. Westerwelle weiß das. „Wir arbeiten daran“, sagt er, bevor er sich zu einem Treffen von Nato und Russland aufmacht, „dass wir erfolgreich sind“.