Berlin. Es ist wie bei Hase und Igel: Wo immer Außenminister Westerwelle ins Rampenlicht strebt, die Kanzlerin war schon da. Wie jetzt in New York wieder. Wen kratzt da noch Westerwelles UNO-Rede nach Merkels Aufmarsch beim Milleniumgipfel der Staats- und Regierungschefs?
Die Kanzlerin bremst, bewusst oder nicht, die Gelegenheiten ihres Außenministers zur Selbstdarstellung auf internationalem Parkett aus.
Westerwelles politischer Übervater Genscher hält - bei allem öffentlich unterdrückten Entsetzen über den ungelenken Zögling - noch immer seinen Ratschlag für richtig, das Auswärtige Amt in Beschlag genommen zu haben. 29 Jahre haben FDP-Minister das AA geprägt, haben außenpolitische Werte und Interessen verbunden und immer wieder die Manövrierräume der jeweiligen Kanzler abgesteckt. Die Zeiten indes, in denen das „Amt“ die Richtung der Außenpolitik vorgab, sind vorbei.
Andere Ministerien mischen mit
Die Gründe sind nicht nur bei Westerwelle zu suchen. Im globalen Zeitalter ist die Außenpolitik Chefsache geworden. Experten sprechen von der „Präsidialisierung“ der Außenpolitik: Die Gipfeldiplomatie bei den G 7- oder G 20-Treffen ist Sache der Staats- und Regierungschefs. Die Europäischen Räte tagen seit dem Lissabonner Vertrag ohne die Außenminister. Und der neue Diplomatische Dienst der EU droht die Rolle der nationalen Außenministerien weiter zurück zu drängen.
Das Arbeitsverhältnis zwischen AA und Kanzleramt ist eine Geschichte fortlaufender Frustrationen, die Zersplitterung außenpolitischer Zuständigkeiten auf unterschiedliche Ressorts Legende: In der internationalen Finanz-, Energie- oder Klimapolitik mischen andere Ministerien munter mit – ebenso bei der Entwicklungshilfe oder beim Kampf gegen Terrorismus und Piraterie. Und die wöchentliche Runde der Europa-Staatssekretäre, früher vom AA gesteuert, leitet jetzt der Chef des Kanzleramtes. Das AA ist kein Leitministerium mehr.
Kanzlerin profitiert
Starke Persönlichkeiten wie Genscher, Fischer oder Steinmeier vermochten diesem Trend durch konzeptionelles Gestalten und eigene Ideen entgegen zu wirken. Die scheinbare Abgehobenheit vom innenpolitischen Ränkespiel verschaffte ihnen zudem verlässlich hohes Ansehen. Westerwelle, seit seiner Ministerwerdung verkrampft bemüht, als Weltstaatsmann bella figura zu machen, gelingt nichts von alledem. Er ist nicht nur ungelitten, er nutzt auch das AA und seine Ressourcen nicht. „Er ist plan- und ideenlos“, sagt Ex-Staatsminister Erler (SPD).
Im Amt fallen die Urteile härter aus: „Es fehlt ihm am intellektuellen Zugriff“, heißt es. Schlimmer noch: „Er liest nicht“. Ein Top-Diplomat spottet: „Er hat nichts gegen das Ausland, er interessiert sich nur nicht dafür“. Westerwelle ist ein Leichtgewicht auf internationaler Bühne. Davon profitiert, bei gut beleuchteten Auslandsterminen, die Kanzlerin. Den Außenminister ficht das nicht an: „Ich will nicht beliebt werden“, behauptet er tapfer, „sondern das Richtige tun“. Nun, denn.