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Kaltherzig, ungerecht, belastend für die Kommunen: Die Sparvorschläge der Bundesregierung zur Konsolidierung des Haushalts haben heftige Debatten ausgelöst. Ministerin Schavan sieht das Sparpaket als „gutes Signal“.
Die Sparvorschläge der Bundesregierung zur Konsolidierung des Haushalts haben heftige Debatten ausgelöst. Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, die auch für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch war, kritisierte bei einer Podiumsdiskussion in Gladbeck vor allem die Kürzungen für Arbeitslose: „Hartz-IV-Empfänger bekommen weniger Elterngeld. Ich finde, da muss Kirche gegen stehen.“ Ob etwa Hartz-IV-Empfänger weniger Würde als andere Menschen hätten, fragt sie empört in die Runde.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft der Bundesregierung Kaltherzigkeit vor. „Ausgerechnet bei den Armen anzusetzen, das zeugt von einer unglaublichen Kaltherzigkeit“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Das treffe vor allem junge, alleinerziehende Frauen, die mit diesen 300 Euro erheblich entlastet worden seien.
Schavan: „Gutes Signal für unser Land“
Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) verteidigte das Sparpaket. Am Ende stehe ein „gutes Signal für unser Land“, sagte sie. Nach Ansicht Schavans sind die Einsparungen auf alle Politikbereiche verteilt. „Viele sind an Kürzungen beteiligt, so etwa der öffentliche Dienst. Wir haben damit ein Paket geschnürt, das die Lasten gerecht verteilt und zugleich Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzt“, sagte sie. Die Bildungsministerin muss ihren Etat nicht kürzen, sondern erhält sogar zusätzliche Mittel.
Der Deutsche Städtetag befürchtet als Folge des Sparpakets zusätzliche Belastungen für die kommunalen Haushalte. „Haushaltskonsolidierung muss sein. Aber ein Widerspruch entsteht da, wo sich der Bund entlastet und die Kommunen dafür aufkommen müssen“, sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus. So würden „Hartz IV“-Empfänger, die keine vom Bund finanzierten Beiträge zur Rentenversicherung mehr erhalten, später durch die Grundsicherung für Ältere unterstützt. Deren Kosten stiegen aber ohnehin schon stark an.
Articus wies darauf hin, dass in der Gemeindefinanzkommission über eine Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben debattiert werde, die mit über 40 Milliarden Euro schon jetzt erdrückend hoch seien. „Neue Belastungen der Kommunen passen dazu nicht oder müssen ausgeglichen werden“, forderte er.
Kritik von NRW-Sozialminister Laumann
Das Sparpaket der Bundesregierung stößt im Detail auch beim Arbeitnehmerflügel der Union auf Kritik. Der nordrhein-westfälische Sozialminister und Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, sagte: „Wenn man die höheren Einkommen einbezogen hätte, dann wäre das Gesamtpaket sozial noch runder geworden. Damit wäre die soziale Balance deutlicher geworden.“
Bedenken äußerte der Sozialpolitiker bezüglich des Wegfalls der Zuschläge beim Übergang von der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I zur Grundsicherung. Das sei ein „heikles Thema, weil wir wieder diejenigen treffen, die lange geleistet haben“, sagte Laumann. Man müsse auch noch mal sehr genau hinterfragen, ob diese Kürzung nicht bei den Kommunen die Kosten für Unterkunft und Wohngeld erhöhten. „Das würde ja wenig Sinn machen“, sagte der CDA-Chef.
Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) verwies darauf, dass man auch dem Gesichtspunkt der Belastungsgerechtigkeit Rechnung tragen müsse. Müller erneuerte im Saarländischen Rundfunk seine Forderung nach Steuererhöhungen: „Ich glaube, dass wir auch über den Spitzensteuersatz noch einmal reden müssen. Hier besteht weiter Diskussionsbedarf.“ Die FDP habe in dieser Frage zwar eine sehr grundsätzliche Position, doch auch sie werde die Frage beantworten müssen, ob man in gleicher Weise Opfer von allen verlange. Für ihn gelte der Grundsatz „starke Schultern müssen mehr tragen als schwache Schultern“, sagte der CDU-Politiker.
Wirtschaftsforscher Sinn hält Sparpläne für „sozial gerecht“
Der Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, hält das Sparpaket der Bundesregierung für sozial gerecht. „Es ist nach meinem Eindruck ausgewogen“, sagte Sinn. „Geld, das man nicht hat, kann man nicht ausgeben“, erklärte Sinn. Die Konjunktur werde durch das Sparpaket kaum beeinträchtigt. „Wir sind heute in einem starken Konjunkturaufschwung, in dem man Konsolidierung am ehesten verkraften kann“, sagte Sinn.
Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sieht keine wachstumshemmenden Folgen durch das Sparpaket. „Wir schaffen mit diesem Haushalt das fiskalische Fundament, damit wir gestärkt aus der Krise hervor gehen“, sagte Pofalla. Mit der Stärkung von Investitionen, etwa den zusätzlich zwölf Milliarden Euro in Bildung und Forschung, stelle die Koalition „die Weichen für neues Wachstum“, sagte Pofalla. Eine soziale Schieflage bei den beschlossenen Belastungen sieht er nicht.
Nach Ansicht eines Ökonomen dagegen wird das Sparpaket das Wachstum in Deutschland dämpfen. Der Effekt sei 2011 noch sehr gering, sagte der Chefvolkswirt der Deka-Bank. In den folgenden Jahren werde das Bruttoinlandprodukt (BIP) dann durch das Sparprogramm um 0,5 bis ein Prozent weniger wachsen als ohne die Konsolidierungsschritte. Die Konjunktur sei aber stark genug, um dies zu verkraften. Der Direktor des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK, Gustav Horn, sprach von leicht negativen Impulsen auf die Konjunktur. Die Regierung tue nichts, um die Binnennachfrage zu stärken, kritisierte Horn. (ddp/apn)