Berlin. .
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich weiter für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ausgesprochen. Gleichzeitig brachte sie den Bundeswehreinsatz in Zusammenhang mit Krieg. SPD-Chef Siegmar Gabriel kritisierte die Äußerungen der Kanzlerin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hält trotz der sieben getöteten deutschen Soldaten in zwei Wochen am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr fest. In einer Regierungserklärung im Bundestag sagte Merkel am Donnerstag, wer den sofortigen Abzug aus dem Land fordere, „der handelt unverantwortlich“. Denn Afghanistan würde in Chaos und Anarchie versinken. „Die internationale Gemeinschaft ist gemeinsam hineingegangen, gemeinsam wird sie auch herausgehen“, erklärte Merkel.
Ein planloser Abzug könnte auch dazu führen, dass Nuklearmaterial aus Nachbarländern in die Hände von Terroristen gelange, sagte die Kanzlerin. „Das muss verhindert werden.“ Ein Abzug wäre eine „Ermutigung für alle Terroristen“.
Merkel sagte, bis heute gelte der Ausspruch des früheren Verteidigungsministers Peter Struck (SPD), dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werde. „Bis heute hat es niemand klarer und präziser ausdrücken können, worum es bei diesem Einsatz geht.“
Merkel bringt Einsatz in Zusammenhang mit Krieg
In Afghanistan habe die internationale Gemeinschaft unterdessen zu einer neuen Strategie gefunden, unterstrich Merkel weiter. Dabei gehe es zunehmend um den nationalen Wiederaufbau, parallel dazu würden die nationalen Sicherheitskräfte gestärkt. Das werde von den Afghanen akzeptiert. Deshalb laute das Motto: „Übergabe in Verantwortung, nicht Abzug in Verantwortungslosigkeit.“
Ausdrücklich würdigte Merkel schließlich jene 43 Soldaten, die in Afghanistan ums Leben kamen. Sie hätten „den höchsten Preis gezahlt“, der möglich sei. Sie hätten die Deutschen davor beschützt, in Zeiten des globalen Terrorismus im eigenen Land Opfer von Terroranschlägen zu werden. „Dafür gebührt ihnen unser Dank, unsere Hochachtung, unsere Unterstützung.“
Erneut brachte Merkel den Einsatz am Hindukusch in Zusammenhang mit Krieg. „Dass die meisten Soldatinnen und Soldaten das, was sie täglich in Afghanistan erleben, Bürgerkrieg oder einfach nur Krieg nennen, das verstehe ich gut“, sagte Merkel. Wer jeden Tag fürchten müsse, in einen Hinterhalt zu kommen, denke nicht in juristischen Begrifflichkeiten. Merkel unterstrich: „Niemand von uns verharmlost.“
Es sei nicht allein eine militärische Aufgabe, dieser Bedrohung zu begegnen. Der Militäreinsatz sei nur die Ultima Ratio. Das sei Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland. Doch die Bundeswehr werde ihren Auftrag nur erfüllen können, wenn sie sich auf den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung verlassen könne.
SPD-Chef Gabriel übt Kritik an der Wortwahl „Krieg“
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die kriegerische Wortwahl der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz angeprangert. „Wer meint, dass die Bundeswehr in Afghanistan Krieg führen soll, der muss sagen, ob er damit etwas konkret anderes meint, als wir das heute tun“ sagte Gabriel am Donnerstag in der Bundestagsdebatte zum Afghanistan-Einsatz. Der Kriegsbegriff trage weder etwas zur Begründung des Einsatzes, noch zur Rechtssicherheit der Soldaten bei. Der SPD-Chef warnte die Bundesregierung davor, sich lediglich zum „Echolot öffentlicher Gefühle“ zu machen. Er stellte aber auch klar, dass der Einsatz nicht verharmlost werden dürfe.
Ausdrücklich bekannte sich Gabriel zum Einsatz am Hindukusch. „Wir wollen das Mandat nicht ändern, weder semantisch noch faktisch“. Man könne nicht öffentlich die Forderung erheben, militärische Gewalt zum Schutz von Menschen dürfe nur durch die Vereinten Nationen eingesetzt werden, sich dann aber der Debatte entziehen, wenn die UNO genau das tue. Die SPD habe mit großer Mehrheit dem Mandat zugestimmt, weil es den „Einstieg in eine verantwortungsvolle Abzugsperspektive“ ermögliche.
FDP lehnt ein neues Afghanistan-Mandat ab
Die Liberalen sehen eine neue rechtliche Qualität des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan, lehnen aber ein neues Bundestagsmandat ab. Ein neues Mandat sei „nicht nötig“, sagte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger am Donnerstag in Berlin in der Bundestagsdebatte über die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Einsatz in Afghanistan. Die neue Strategie am Hindukusch werde von dem erst im Februar im Parlament beschlossenen Mandat abgedeckt.
„Ich kann verstehen, wenn sich unsere Soldaten in Afghanistan wie in einem Krieg fühlen“, sagte Homburger. Diese Gefühle müssten auch politisch ausgedrückt werden. Das gehöre zur Anerkennung der täglichen Realität und habe nichts mit politischer Semantik zu tun. Deshalb sei auch eine rechtliche Neueinschätzung des Einsatzes durch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) als „nichtinternationaler bewaffneter Konflikt“ überfällig gewesen.
Grünen fordern schonungslose Bilanz des Einsatzes
Die Grünen fordern einen schonungslose Bilanz des bisherigen Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Die Bundesregierung müsse „endlich aufhören, um den heißen Brei herumzureden“, verlangte Fraktionschef Jürgen Trittin am Donnerstag im Bundestag in Berlin. Die Soldaten hätten einen Anspruch darauf zu erfahren, wie lange sie die Gefahren für Leib und Leben noch zu tragen hätten. Schließlich habe der Kommandeur der ISAF-Truppen, Stanley McChrystal, erst am Mittwoch bei seinem Berlin-Besuch den Militäreinsatz als „klassische Aufstandsbekämpfung“ bezeichnet.
„Einen Stabilisierungseinsatz führen sie nicht mit Kriegsrethorik zum Erfolg“, mahnte der Grünen-Fraktionschef. Auch sei es unzureichend, die angespannte Situation in einigen Teilen Afghanistans jetzt als „Krieg“ zu bezeichnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse vielmehr Konsequenzen aus der Neubewertung der Lage ziehen. Dazu gehöre auch die Frage, ob und wie mit gemäßigten Taliban geredet werden sollte, um die Lage zu beruhigen.
Linke bleibt bei Forderung nach einem sofortigen Abzug
Die Linke bleibt bei ihrer Forderung nach einem sofortigen und unverzüglichen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Nur ein solcher Abzug würde neue Opfer verhindern, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi am Donnerstag in Berlin in der Bundestagsdebatte über die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Einsatz in Afghanistan. Zugleich warf er der Bundesregierung vor, die Soldaten ohne ausreichende Ausbildung und Ausrüstung in einen Krieg zu schicken. Das sei unverantwortlich.
Gysi nannte es eine „Selbstverständlichkeit“, dass der Bundestag einhellig den beim jüngsten Taliban-Anschlag getöteten deutschen Soldaten gedacht hat. Doch wäre es auch richtig gewesen, den afghanischen Opfern des Luftschlages von Kundus zu gedenken, der im Herbst vergangenen Jahres von einem deutschen Oberst befohlen worden war.
Bundestag gedachte den gefallenen Soldaten
Der Bundestag gedachte der sieben deutschen Soldaten, die bei Gefechten mit Aufständischen in Afghanistan ums Leben gekommen waren, mit einer Schweigeminute. „Wir beklagen inzwischen 43 gefallene deutsche Soldaten“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert. Das Parlament sei sich seiner Verantwortung für die Militäreinsätze bewusst. Dabei müssten aber auch die direkten und indirekten Wirkungen eines beschleunigten Abzugs der Bundeswehr bedacht werden, sagte der CDU-Politiker. (apn/dpp/AFP)