Münster. .

CDU-Chefin Angela Merkel hat sich auf dem Landesparteitag in Münster kräftig für die Parteifreunde in NRW abgestrampelt . Was Wahlkämpfer Jürgen Rüttgers besonders gefreut haben dürfte: Sie stellte sich hinter zentrale Themen der NRW-CDU. Ihr Lohn war nicht nur ein Fahrrad.

Am Ende überreichte der westfälische Tagungspräsident Karl-Josef Laumann Angela Merkel „etwas Schönes“ mit Erinnerungswert, wie der nordrhein-westfälische Sozialminister glucksend ankündigte. Der Kanzlerin wurde als besonderes Andenken an diesen CDU-Landesparteitag in Münster ein orangefarbenes „Münsterländer Milchkannenrad“ geschenkt. Das passte trefflich ins Bild, da sich Merkel zuvor kräftig für die Parteifreunde zwischen Rhein und Weser abgestrampelt hatte.

Die Kanzlerin machte 50 Tage vor der wichtigen NRW-Wahl deutlich, dass sie sich einreiht in den Kampf ihrer Partei „um Deutschlands Herzkammer der wirtschaftlichen Entwicklung“. Nach Monaten der schwarz-gelben Koalitionsquerelen in Berlin, die der NRW-CDU in Umfragen zu schaffen machen, markierte Merkel in einigen zentralen Streitfragen ihren Standpunkt neu. „Wir können nicht die Kommunen ausbluten lassen, damit wir Steuersenkungen durchsetzen“, rief sie den jubelnden Delegierten in der Halle Münsterland zu.

Merkel stellt sich hinter Rüttgers Steuerforderungen

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekam ein Fahrrad geschenkt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekam ein Fahrrad geschenkt. © APN

Und plötzlich klang sie verdächtig wie Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der bereits seit Wochen die Steuersenkungsfantasien vor allem der FDP mit der Realität der maroden Staatsfinanzen konfrontiert. Als Merkel zudem den Missbrauch der Leiharbeit geißelte, tariflich verabredete Mindestlöhne forderte, Dienstleistungsvergütungen am Rande der „Sittenwidrigkeit“ beklagte und die Integration von Kindern aus Hartz IV-Familien unterstützte, klang sie fast wie eine Herz-Jesu-Sozialistin und nicht wie die Regierungspartnerin von Guido Westerwelle.

Die Kanzlerin und Parteivorsitzende, die trotz des schlechten Ansehens ihrer Koalition an der Basis weiterhin hörbar große Sympathien genießt, stellte sich ganz in den Dienst der NRW-CDU, die am 9. Mai ums Ganze zittert. Sie weiß, dass es auch für sie ungemütlich werden könnte, wenn Rüttgers stürzt. „Ich hoffe“, mahnte sie Richtung CSU, „das tun die in München auch.“

Rüttgers gibt sich rauflustig

Für Jürgen Rüttgers kam Merkels Bekenntnis zu einer CDU nordrhein-westfälischer Prägung zur rechten Zeit. Nach dem Wirbel um die eigene Sponsoring-Affäre und die permanenten Sperrfeuern all der Westerwelles, Dobrindts, Kubickis und Söders dieser Republik ging es darum, der eigenen Truppe Kampfesmut einzuimpfen. Rüttgers griff auf den bewährten Dreiklang aus Bilanzstolz nach fünf Regierungsjahren, Warnung vor Rot-Rot und unverwechselbarem Volkspartei-Anspruch der NRW-CDU zurück.

Neu allerdings die Tonlage, die er wählte. Der Landesvater schlüpfte in den Raufanzug des Wahlkämpfers und brachte die Seinen mit Breitseiten gegen die Konkurrenz in Stimmung. Die Erfolgsbilanz von SPD-Herausforderin Hannelore Kraft passe auf eine Briefmarke. Seine Warnung: „Die Versager von gestern dürfen nicht die Regierung von morgen bilden.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel schimpfte er einen „Hartzer Roller“, der „charakterlos, hemmungslos, eine Schande für die Politik“ sei. Die Grünen, mit denen die CDU mit Blick auf mögliche Koalitionsoptionen eigentlich sehr pfleglich umgeht, seien „einfach nur machtgeil“ – auch das gehört gewöhnlich nicht zu Rüttgers Rhetorik.

Krautscheid mit großer Mehrheit gewählt

Angesichts der prognostizierten knappen Mehrheitsverhältnisse hat die CDU-Spitze erkannt, dass sie allmählich aus der staatstragenden Regierungsrolle mit dem stetigen Wehklagen über den „Schmutzwahlkampf“ der Konkurrenz herausfinden muss. Als Mann, der auf Angriff spielen kann, erwies sich der neue Generalsekretär Andreas Krautscheid. Der bisherige Medienminister erzielte bei der Wahl ins Parteiamt nicht zufällig 99,5 Prozent der Stimmen.

Der Rheinländer, der lange im Kommunikationsbereich gearbeitet hat, unterstrich, warum er im Ruf steht, einer der besten Redner der NRW-CDU zu sein. Er wetterte, witzelte, flüsterte, arbeitete sich körperlich durch seine Rede, garnierte seinen Auftritt mit Filmsequenzen. Krautscheid, der auf dem Höhepunkt der Sponsoring-Affäre in höchster Not als Rüttgers’ wichtigster Mann den überforderten Generalsekretär Hendrik Wüst ablöste, dürfte für die Kampagnenfähigkeit der CDU von zentraler Bedeutung sein. „Diesen Wahlkampf“, rief Krautscheid den Delegierten zu, „gewinnt man nicht vom Sofa aus.“ Vielleicht aber vom Münsterländer Milchkannenrad aus.