Berlin. .

In der Debatte um die künftige Sicherungsverwahrung von Gewalttätern hat die Linkspartei eine ganz eigene Position. Sie hält das unbegrenzte Wegsperren für falsch, plädiert dafür für mehr Therapie.

Die Linkspartei hält das unbegrenzte Wegschließen von Gewalttätern für falsch und unnötig. „Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung brauchen wir in Deutschland nicht“, sagte die stellvertretende Linke-Vorsitzende Halina Wawzyniak der Nachrichtenagentur ddp am Donnerstag in Berlin. Vielmehr müsse „in Therapie und Heilung“ investiert werden.

Halina Wawzyniak.
Halina Wawzyniak.

In der Praxis sei es so, „dass bei zehn Fällen von Sicherungsverwahrung möglicherweise eine Gefährdung vorhanden ist und man dann neun Menschen grundlos die Freiheit nimmt“, sagte Wawzyniak. Hinzu komme, dass der „Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die derzeitige Regelung für mit der Menschenrechtskonvention unvereinbar erklärt hat“.

Elektronischen Fußfesseln als Alternative zur Sicherungsverwahrung erteilte Wawzyniak ebenfalls eine Absage. Sie leisteten einen „Beitrag zur Totalüberwachung von Menschen“, und sollten nur angewendet werden, „wenn jemand freiwillig aus Selbstschutzgründen eine Fußfessel tragen möchte“.

Bislang 15 Gewalttäter aus Sicherungsverwahrung entlassen

Die Linke-Politikerin fügte hinzu: „Die Innenpolitiker der Union versuchen, das Sommerloch zu nutzen, um zu suggerieren, dass es eine absolute Sicherheit gibt.“ Im Grundsatz sei der Ansatz von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu unterstützen, die die nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen möchte.

Auf der Grundlage des Straßburger Gerichtsurteils zur Sicherungsverwahrung sind offenbar bislang 15 Täter entlassen worden. Sechs Entlassungen gab es in Hessen, wie die „Frankfurter Rundschau“ berichtete. Jeweils drei Fälle betreffen demnach Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, zwei Schleswig-Holstein und einer das Saarland.

Insgesamt sind demnach mindestens 80 Gefangene von dem Straßburger Urteil betroffen, in vielen Bundesländern würden derzeit Freilassungsanträge geprüft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte im Dezember 2009 entschieden, dass gegen bestimmte Straftäter zu Unrecht Sicherungsverwahrung verhängt worden war. Bis 1998 konnte die Maßnahme nur auf zehn Jahre befristet angeordnet werden, seither ist sie unbefristet möglich. Nach 1998 wurden jedoch zahlreiche bereits laufende Verwahrungen über die Zehn-Jahres-Frist hinaus verlängert - was nach Ansicht des Gerichts gegen das so genannte Rückwirkungsverbot verstieß.

Streit zwischen Union und FDP

Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, um die derzeit gestritten wird, wurde erst im Jahr 2004 eingeführt. Sie besagt, dass die normalerweise im Zuge der Verurteilung angeordnete Verwahrung in Ausnahmefällen auch erst zu einem späteren Zeitpunkt verhängt werden kann. Unabhängig von dem Straßburger Urteil will Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger diese Möglichkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung generell weitgehend abschaffen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warf Leutheusser-Schnarrenberger vor, „ohne Not“ das Instrument der nachträglichen Sicherungsverwahrung aufgeben zu wollen. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müsse zwar für die Altfälle der Sicherungsverwahrung eine spezielle Lösung gefunden werden, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ vom Donnerstag. Das Gesetz für die nachträgliche Sicherungsverwahrung sei durch das Straßburger Urteil aber „für die Zukunft überhaupt nicht in Frage gestellt“.

Für die vom Straßburger Urteil betroffenen Fälle will die Union laut Herrmann das neue Instrument der Sicherungsunterbringung einführen, die sich klar von der Strafhaft unterscheide. „Hier geht es nicht um Strafe, sondern um den Schutz der Bürger“, sagte er. Mit diesem Konzept werde die Union in die Beratungen mit dem Justizministerium gehen. (ddp/afp)