Berlin. .

Entlassene, aber weiter als gefährlich geltende Straftäter sollen elektronisch überwacht werden. Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, die Sicherungsverwahrung neu zu regeln. Ein EU-Gericht hatte das lebenslange Wegsperren verboten.

Gefährliche Straftäter sollen demnächst nach ihrer Haftentlassung offenbar mit einer Art elektronischer Fußfessel überwacht werden. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger legte dem Bundeskabinett einen Vorschlag für eine „elektronische Aufenthaltsüberwachung“ vor, etwa eine elektronische Fußfessel. Bisher konnten gefährliche Täter auf Anordnung von Richtern in Sicherungsverwahrung in Haft bleiben. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof stoppte die Praxis aber in vielen Altfällen.

Die Ministerriege unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel wollte die Vorschläge am Mittwoch beschließen. Im Deutschlandradio Kultur sagte die FDP-Politikerin Leutheusser-Schnarrenberger, mit der Neuordnung der Sicherungsverwahrung werde ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag erfüllt. Das Strafrecht kenne das lebenslängliche Wegsperren nicht. „Aber wir müssen uns ja verantwortungsbewusst damit befassen, was machen wir mit wirklich sehr, sehr gefährlichen Tätern“, sagte sie.

Polizeigewerkschaft sieht Fußfessel skeptisch

Eine elektronische Überwachungsmöglichkeit werde nötig, wenn als Konsequenz aus dem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, gefährliche Menschen aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden müssten. Das Gericht hatte im Dezember deutsche Regelungen für die nachträgliche Sicherungsverwahrung für rechtswidrig erklärt.

Nach dem Urteil sei klar: „Es sind Menschen jetzt in Sicherungsverwahrung, also immer weggesperrt nach Haftverbüßung, und das ist nicht rechtmäßig“, sagte die Ministerin. In Deutschland müssten demnach 70 bis 80 Menschen möglicherweise entlassen werden. Damit könne es zu schwierigen Situationen kommen. Technisch sei es möglich, dass die elektronische Überwachung Alarm bei Polizeibeamten auslöse, wenn sich ein gefährlicher Mensch einem Kindergarten oder einer Schule nähere.

Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist die elektronische Fußfessel ist „nicht der Stein der Weisen“. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Bernhard Witthaut sagte, die elektronische Fußfessel sei „nur bedingt geeignet, weitere Straftaten zu verhindern.“ So sei es in einer Großstadt kaum möglich, mehrere hundert Meter zu gehen, ohne an einer Schule, einem Spielplatz, einer Kindertagesstätte, vorbeizulaufen.

Thema auch bei Justizministerkonferenz

Auch die Justizminister von Bund und Ländern befassen sich auf ihrer Frühjahrskonferenz in Hamburg mit dem Thema. Im Mittelpunkt steht außerdem die Diskussion über eine Einführung von Fahrverboten als reguläre Strafe für Gesetzesverstöße, die Einführung einer Frauenquote in Top-Positionen der Wirtschaft und eine Reform des Urheberrechts.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte der „Bild“-Zeitung zum Führerschein-Entzug bei Straftaten: „Es dürfte sehr teuer und aufwendig werden, in jedem Einzelfall zu kontrollieren, ob Fahrverbote auch eingehalten werden.“ Sie wies auch auf unterschiedliche Belastungen für die Betroffenen hin. „Wer beruflich auf sein Auto angewiesen ist, müsste um seinen Job fürchten. Er empfindet eine solche Strafe viel härter als ein Besserverdiener, der sich ein Taxi leisten kann.“

ADAC-Präsident Peter Meyer warnte in „Bild“ vor einer Diskriminierung von Verkehrsünder. „Wer zu schnell fährt und deshalb vorübergehend seinen Führerschein abgeben muss, steht künftig im Verdacht, ein Ladendieb oder Schlimmeres zu sein.“ (afp)