Berlin/Essen. .

Die Loveparade begann 1989 in Berlin als „politische Demonstration“, frei nach dem Motto: „Friede, Freude, Eierkuchen“. 21 Jahre später endete sie in Duisburg in einer Katastrophe.

Keine Vermummten, keine Steine, und doch sollte es eine „politische Demonstration“ sein, frei nach dem Motto: „Friede, Freude, Eierkuchen“. Berlin rieb sich im Sommer 1989 verdutzt die Augen ob des bunten Trupps, der da bei trostlosem, grauen Nieselregen unverdrossen abfeierte. Ein DJ aus Berlin, Matthias Roeingh alias Dr. Motte, hatte die knatschbunte Veranstaltung als Musikumzug vom Wittenbergplatz zum Adenauerplatz mit ein paar Lkw, zusammengemurksten Soundanlagen und unverdrossenen Szenegängern inszeniert.

Wippendes Trillerpfeifenvolk

Die spektakulärste Party der Welt war geboren, und noch war sie mit rund 150 Teilnehmern winzig, doch sie wuchs schnell. Schon damals wusste keiner so recht, was die ganze Veranstaltung eigentlich sein sollte, und das sollte auch so bleiben. Denn was sich jahrelang als politisch motiviert ausgab, bis man von Amts wegen diesen Titel strich, hatte eigentlich nur einen einzigen Zweck: zu feiern. Abzutanzen. Zu sehen und gesehen zu werden. Nicht nachzudenken. Adieu Probleme der Welt, hello Party! Gerne auch unter dem Einfluss von Drogen.

Das wippende Trillerpfeifen-Völkchen, was sich seit 1989 regelmäßig in Berlin traf und bis 1999 zu einem 1,5 Millionen-Volk anschwoll, gab sich alle Mühe, derlei narzistische Eigenschaften zu unterstreichen - sei es allover-tätowiert, barbusig und mit kunstvollem Bodypainting, gerne auf den Floats, den Mottowagen, hingebungsvoll knutschend, eine grelle Piercing- und Pailletten-Kultur.

Als immer mehr „normale“ Jugendliche sich vom alljährlichen Partyfieber anstecken ließen und aus aller Herren Länder anreisten, um einen Tag und eine Nacht durchzumachen und dabei jede Menge Geld in den Hotels, Clubs und Läden Berlins zu lassen, dämmerte es auch den Stadtverantwortlichen, dass die Loveparade bei allem Dreck und Lärm eine werbeträchtige Goldgrube sein kann. Längst war der Umzug vom Kurfürstendamm zur achtspurigen Straße des 17. Juni zum Tiergarten verlegt worden, regelmäßig kamen bei insgesamt 16 Paraden bis 2006 weit über eine Million Menschen, die jeweils mehr als 50 Millionen Euro in die städtische Wirtschaft pumpten.

An großen Unfällen passierte in der Berliner Zeit nichts. Doch entgegen anderslautender Beteuerungen war die Loveparade stets ein ungesundes, rauschendes Fest im eigentlichen Wortsinne. Viele hielten sich mit Kokain, Alkohol und der Partydroge XTC fit für die Mammutveranstaltung, „chillten“ sich herunter mit Haschisch und kamen körperlich abgewirtschaftet wieder zu Hause an. Ende der 90er machte in Duisburg ein Fall Schlagzeilen, als sich ein Abiturient nach drei Tagen Drogen und Berliner Party zu Hause mit einer handfesten Psychose aus dem Fenster stürzte und starb. Die Eltern, die sich an die NRZ wandten, gaben der Loveparade die Schuld, durch die „Drogenkonsum verharmlost“ würde.

„We kehr for you“

Nachdem Sanitäter und Sozialarbeiter ihren Job bei der Parade erledigt hatten, übernahm stets die Berliner Stadtreinigung mit witzigen Loveparade-T-Shirts („Schau mir auf den Besen, Kleines“, oder „We kehr for you“) das Regiment. Allerdings gab es auch Kritik an den Hinterlassenschaften so vieler Menschen. Umweltschützer versuchten immer wieder, die Veranstalter zur Errichtung von Zäunen zu bewegen, den Tiergarten zu schützen. Vergebens, so blieb der Platz zum Ausweichen.

Seit 2001 wurde die Veranstaltung nicht mehr als „politische Demonstration“ eingestuft, nun mussten die Veranstalter selbst für Sicherheit und Reinigung sorgen. Die Loveparade verkommerzialisierte, mehr und mehr war man auf Sponsoren, die ihre riesigen Logos auf die Wagen druckten, angewiesen. Als nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und im Zuge der Wirtschaftskrise immer mehr Sponsoren absprangen, geriet die Loveparade-Gesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten. Es war die Stunde des Fitnessclub-Millionärs Rainer Schaller, der mit einer Finanzspritze die Löschung aus dem Handelsregister verhinderte.

2006 war die letzte Parade in Berlin. Loveparade-Gründer Dr. Motte war im Streit mit dem neuen Hauptsponsor „McFit“ ausgestiegen. Auf der Suche nach neuen Veranstaltungsorten wurde man im Ruhrgebiet fündig. Die Loveparade durch Essen mit Party auf der Großbaustelle am Limbecker Platz wurde bei strahlendem Sommerwetter mit 1,2 Millionen Menschen ein gigantischer Erfolg. Pfeif’ auf Berlin, es lebe das Ruhrgebiet. Dortmund hatte ein Jahr später gar 1,6 Millionen Raver zu stemmen beim „Highway to Love“ Richtung Westfalenhallen, bei strömendem Regen.

Und jetzt Duisburg. Die Geschichte der größten Party der Welt mündet in eine Ka­tastrophe. Sie ist damit zu En­de. Auf der Website „www. loveparade.de“ steht zu lesen: „Unser Anliegen, ein fröhliches Miteinander von Menschen durchzuführen, ist von tragischen Unglücksfällen am 24. Juli 2010 überschattet worden. Daher beenden wir den Livestream zu Loveparade. Unser aufrichtiges Beileid gilt allen Angehörigen (...).“