Duisburg. .

Vielleicht war’s nur ein Albtraum. Das hat sich Max (15) Sonntagmorgen beim Aufwachen gewünscht. Aber leider bleibt die Katastrophe der Loveparade, die er hautnah miterlebte, bittere Realität.

Er war mittendrin, hat mitbekommen, wie ein Mädchen, schon blau angelaufen, in der Menschenmasse starb. Gestern ist er an den Unglücksort zurückgekehrt. „Ich muss das irgendwie verarbeiten“, sagt der Schüler aus Mülheim.

So wie viele andere Menschen, die am Tag danach zum Tunnel an der Karl-Lehr-Straße kommen. Nicht aus Sensationslust und sicher auch nicht, um zu sehen, wie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihr Innenminister Ralf Jäger am Nachmittag vorfuhren, um ein Blumengesteck im Tunnel abzulegen. Vielmehr aus echter Betroffenheit.

Junge Mädchen brechen in Tränen aus, liegen sich in den Armen. „Es ist auf einmal alles wieder so real“, sagt eine von ihnen. Andere zünden Kerzen an, legen Blumen und Stofftiere nieder, haben Abschiedsbriefe geschrieben. „Warum?“ ist darauf zu lesen oder „Das Event hätte hier nicht stattfinden dürfen“.

Die Stimmung ist bedrückt. Keine lautstarken Diskussionen darüber, wer die Schuld für diese Katastrophe zu tragen hat. Niemand, der sich vor der Schar der Medienvertreter in Szene setzt.

Der Tunnel selbst bleibt bis zum Abend gesperrt. Überall liegen noch Plastikflaschen, zertrampelte Brillen, zerknüllte Wärmedecken und dreckige Gummihandschuhe der Helfer herum. Erst nachdem die Eskorte der Landesspitze kurz nach 14.30 Uhr abgefahren ist und der Tunnel anschließend gereinigt wird, können die Autos wieder passieren.

Manuela Dittmann hat mit Sohn Florian (17) und dessen Freund Timo Gutt eineinhalb Stunden Fahrzeit aus Bergisch Gladbach in Kauf genommen, um zum Unglücksort zurückzukehren. Aus Dankbarkeit, wie sie sagt. „Ich bin unendlich froh, dass ich heute mit den Kindern hier stehen darf. Dass ihnen nichts passiert ist“, sagt die Mutter. Samstagabend hat sie wie viele Eltern lange vergeblich versucht, Kontakt mit dem Sohn aufzunehmen. „Das waren die schlimmsten Stunden meines Lebens“.

Tatsächlich waren Max und Florian dicht dran. „Wir waren unmittelbar vorm Tunnel. Dann hat uns ein Polizist gesagt. ’Guckt, dass Ihr weg kommt’“. Was die beiden dann zum Glück auch noch rechtzeitig getan haben.

Auch Deborah Schumacher aus Köln ist zurückgekehrt. Obwohl sie ein Mädchen neben sich hat sterben sehen. „Das war grauenhaft, so etwas möchte ich nie wieder erleben“. Sie ist zurückgekommen, um sich der Situation zu stellen. „Die Bilder verfolgen mich. Ich kann nicht davor weglaufen. Wahrscheinlich suche ich mir psychologische Hilfe“. Eine Großveranstaltung werde sie jedenfalls nie wieder besuchen.

Die ersten beiden Tage sind die schlimmsten“, weiß Notfallseelsorger Frater Michael, der unmittelbar nach dem Unglück im Einsatz war und auch am Sonntag Nachmittag wieder als Ansprechpartner an der Karl-Lehr-Straße bereit steht. In den letzten Stunden hat er zahlreiche Betroffene und vor allem auch die Sanitäter betreut. „Die sind fix und fertig“, sagt der Seelsorger.