Berlin. Union und FDP ernten heftige Kritik für die Pläne, die Finanzlöcher in der Sozialversicherung mit Krediten in Milliardenhöhe zu stopfen. "Organisierter Selbstbetrug", wettert CDU-Haushaltsexperte Oswald Metzger gegen einen Schattenhaushalt. Verfassungsrechtliche Bedenken sind noch zu prüfen.
Union und FDP sehen sich wegen ihrer Pläne für einen Schattenhaushalt heftiger Kritik auch aus den eigenen Reihen ausgesetzt. CDU-Haushaltsexperte Oswald Metzger sprach am Donnerstag von organisiertem Selbstbetrug. Auch CDU-Landespolitiker kritisierten die Pläne. Union und FDP gaben sich gegenseitig die Schuld für die Höhe der mit ihrem Vorgehen verbundenen höheren Neuverschuldung. Nach einem Bericht der «Frankfurter Rundschau» (Donnerstagausgabe) lassen die Parteispitzen von Union und FDP verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen Schattenhaushalt prüfen.
Union und FDP erwägen, die Finanzlöcher in den Sozialversicherungssystemen mit Krediten in Milliardenhöhe zu stopfen. Um dabei nicht in Konflikt mit der neuen Schuldenbremse im Grundgesetz zu kommen, wollen sie einen Schattenhaushalt einrichten. Dieser Sonderfonds soll aus Krediten gespeist werden, die aufgenommen werden, bevor die Schuldenbremse greift. Auf diese Weise sollen die Beitragssätze zu den Sozialversicherungen stabil gehalten werden.
Erst sparen, dann Steuern senken
Metzger nannte den Schattenhaushalt eine absurde Veranstaltung. Er wundere sich über seine Parteifreunde. Zumindest die Haushaltspolitiker seien sich im Nein zu Schattenhaushalten stets einig gewesen.
Der rheinland-pfälzische CDU-Landeschef Christian Baldauf sagte: «Schattenhaushalte sind nicht besonders sinnvoll.» Er verlangte, Steuersenkungen über Einsparungen zu finanzieren.
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Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) forderte, die Einrichtung eines Schattenhaushalts dürfe nicht zu geringeren Einnahmen in den Bundesländern führen.
SPD-Bundestagsfraktionsvize Joachim Poß sagte, Union und FDP schöben das Ziel, die Sozialversicherungsbeiträge stabil zu halten, nur vor. «Der wahre Grund bleibt der Steuersenkungswahn», kritisierte er.
90 Milliarden Euro Neuverschuldung
Die »Frankfurter Rundschau« schrieb, Experten in Kanzleramt und Bundesinnenministerium sollten eine verfassungskonforme Begründung finden. Falls das nicht gelinge, müsse umgedacht werden. CDU/CSU und FDP wollten eine Niederlage vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe in jedem Fall vermeiden. Bedenken gebe es gegen die Absicht, auch die Krankenkassen aus dem Schattenhaushalt zu unterstützen. Nach der bis einschließlich 2010 gültigen alten Schuldenregel des Grundgesetzes müsse die Regierung nachweisen, dass die Kredite der Krankenversicherung helfen, das gesamtwirtschaftliche Ungleichgewicht zu beseitigen. Dies gelte aber als heikel.
Die »Bild«-Zeitung (Onlineausgabe) berichtete, der für den Sonderfonds nötige dritte Nachtragshaushalt 2009 könne die Neuverschuldung für dieses Jahr von etwa 50 Milliarden auf fast 90 Milliarden Euro erhöhen. FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke gab CDU und CSU die Schuld für diese Entwicklung. Er sagte in einer FDP-Fraktionssitzung: «Die Union hat keinen einzigen Sparvorschlag gemacht.»
Dagegen verlangte der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz, die Ausgabenwünsche der FDP müssten gestutzt werden. Der Chef der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union, Philipp Mißfelder, forderte, man dürfe nicht die künftigen Generationen die Zeche zahlen lassen.
Höhere Beiträge zur Sozialversicherung möglich
Fricke sagte, ohne den Schattenhaushalt müssten die Beitragssätze für die Sozialversicherungen steigen. Die FDP lege Wert darauf, dass das Sondervermögen Bestandteil des Haushaltsplans werde. »Damit handelt es sich auch nicht um einen Schattenhaushalt«, sagte Fricke.
Handwerkspräsident Otto Kentzler sagte, das Vorgehen der künftigen Koalition sei kein finanzpolitischer Taschenspielertrick. «Im Gegenteil: Auf diese Weise werden die krisenbedingten Kosten deutlich gemacht, die auf die Beschlüsse der großen Koalition, also auch der SPD zurückgehen», sagte er.
Dagegen sagte der frühere Chef des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Bert Rürup, Schattenhaushalte seien ein klarer Verstoß gegen die Bundeshaushaltsordnung und der Versuch, die Schuldenbremse zu entschärfen. Der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn, forderte, die Schuldenbremse. (ddp)