Berlin. Es sind nur noch drei Wochen bis zur Europawahl. Kurz vor Toresschluss läuft jetzt eine Europaabgeordnete der Linken zur SPD über. Sylvia-Yvonne Kaufmann begründet ihren Schritt mit der "antieuropäischen" und "verbalradikalen Haltung" der Linkspartei.
Die Linke-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann wechselt gut drei Wochen vor der Europawahl zur SPD. Die langjährige stellvertretende PDS-Vorsitzende begründete ihren Schritt mit der «antieuropäischen» und «verbalradikalen Haltung» der Linkspartei. Die SPD habe dagegen mit ihrem Europamanifest ein überzeugendes Programm, das sie «gerne unterstützen» werde.
Als Mitbegründerin der PDS habe sie versucht, «der Partei ein klares proeuropäisches Profil zu verleihen. Nunmehr stelle ich fest, dass ich damit komplett gescheitert bin», sagte Kaufmann am Donnerstag in Berlin. Sie sei nun davon überzeugt, «dass es einer gestärkten Sozialdemokratie bedarf, um die politische Achse in Europa nach links zu verschieben».
Als Sozialistin und überzeugte Europäerin werde sie «künftig in der SPD für ein Europa streiten, das für die Menschen da ist», sagte Kaufmann, die von ihrer Partei nach 1994, 1999 und 2004 nicht wieder zur Spitzenkandidatin für die Europawahlen nominiert worden war. Die Linkspartei habe sich in ihrem Nein zur EU einbetoniert. Man könne den Vertrag von Lissabon kritisieren: «Was aber nicht geht, ist, Inhalte zu verfälschen und alle seine unbestreitbaren Fortschritte zu leugnen. Genau das aber ist passiert. Pure Ideologie siegte über Vernunft», kritisierte Kaufmann.
"Verbalradikalismus und Fundamentalopposition"
Dieselben Linken, die keine Gelegenheit ausließen, das Demokratiedefizit in der EU zu beklagen, verweigerten sich allen ernsthaften Schritten, Europa demokratischer machen. «Mit Verbalradikalismus und Fundamentalopposition sind die kulturelle Hegemonie des Neoliberalismus und der Marktradikalismus in der EU nicht zu brechen, und die Herausforderungen der Globalisierung nicht zu bewältigen», sagte Kaufmann.
Die Linkspartei zeigte sich betrübt über den Austritt Kaufmanns. «Ich bedauere das natürlich», sagte der Bundesgeschäftsführer der Partei, Dietmar Bartsch, dem Berliner «Tagesspiegel» (Freitagausgabe). Gemeinsam mit Kaufmann habe er viele Jahre «um die Erneuerung der Partei gekämpft». Allerdings sei ihr Parteiwechsel nur eingeschränkt glaubwürdig, weil sie sich erst nach ihrer Abstimmungsniederlage auf dem Europaparteitag Anfang März in Essen zum Wechsel in die SPD entschlossen habe.
Trittin: Lafontaine treibt seine Partei auseinander
Kaufmanns Fraktionskollege im Europaparlament, Andre Brie, erhob schwere Vorwürfe gegen seine Partei. «Die Linke hat ihren Pluralismus aufgegeben», sagte Brie der «Berliner Zeitung» (Freitagausgabe) und sprach von «Intrigen und Machtkämpfen». Kaufmann sei bewusst ausgegrenzt worden, weil sie in der EU-Politik eine andere Meinung als die Mehrheit vertreten habe. Der Austritt Kaufmanns schwäche die Linkspartei «sehr im Kampf um die weitere Perspektive und das Profil».
Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin sagte in Berlin, der antieuropäische Kurs von Linke-Chef Oskar Lafontaine zeige Wirkung: «Lafontaines fundamentalistische und sektiererische Ausrichtung der Partei treibt die Linkspartei auseinander.» Auch der Austritt des pragmatischen Berliner Abgeordneten Carl Wechselberg sei «eine schallende Ohrfeige für die unbezahlbaren Phantastereien im Wahlprogramm der Linkspartei», die sich vom Anspruch auf eine reale linke Veränderung der Gesellschaft lange verabschiedet habe. (ddp)